Die Bestrafung der Mörder

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Amon Göth, Hitler‘s nazi butcher
Amon Göth, Hitler‘s nazi butcher

Inhaltsverzeichnis

NS-Kriegsverbrecherprozesse in Polen

Rudolf Höß (aufgenommen in einem polnischen Gefängnis)
Rudolf Höß (aufgenommen in einem polnischen Gefängnis)

Bereits im Winter 1944/45, noch vor dem offiziellem Ende des Krieges am 8.Mai, ernannte die polnische Regierung eine Sonderkommission zur Untersuchung der Naziverbrechen. Eines der führenden Mitglieder dieses Ausschusses war Dr. Jan Sehn, der später eine Professur für Kriminalistik an der Jagiellonen-Universität in Krakauerhielt. Am 27. Januar war er ins befreite Auschwitz gekommen und hatte den Massenmord dokumentiert[1]. Unter anderem hatte sich die Kommission auch nach Plaszów begeben. Sehn bat Pemper um die Aufzeichnung seiner Erinnerungen. Die Anklageschrift gegen Göth basierte dann auch weitgehend auf Mietek Pempers Aussagen. Gemäß dem Abkommen der Moskauer Außenminister Konferenz lieferten die USA Amon Göth gemeinsam mit dem Lagerleiter von Auschwitz, Rudolf Höß, nach Polen aus.[2]

Der Prozess gegen Amon Leopold Göth

Göth steht vor Gericht
Göth steht vor Gericht

Der Prozess gegen Göth war das erste große Verfahren dieser Art in Polen und wurde gemäss den Statuten des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg durchgeführt. Göth verfügte über zwei Pflichtverteidiger und einen Dolmetscher, die Anklageschrift lag auch in deutscher Sprache vor. Göth konnte Fragen stellen, Gegendarstellungen vorbringen und Zeugen ins Kreuzverhör nehmen.[3] Göth war bei der Präsentation der Anklageschrift überrascht: „Was? So viele Juden? Uns hat man immer gesagt, da wird kein Schwanz übrig bleiben.“[4] Offensichtlich hatten die Mörder gehofft, aus Mangel an überlebenden Zeugen niemals zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Das Interesse am Prozess war überaus groß, da Göth auch als gnadenloser Peiniger und Mörder nichtjüdischer Polen verhasst war. Der Anklageschrift zufolge war Göth allein im Lager Plaszów für die Ermordung von 8000 Menschen verantwortlich und mitschuldig am Tod von weiteren 2000 Menschen bei der Liquidierung des Ghettos in Krakau-Podgorze am 13. und 14. März 1943.[5] Der Sachverständige Dr. Ludwig Ehrlich, Professor für Internationales Recht an der Jagiellonen-Universität charakterisierte Göths Taten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dieser Terminus entsprach den völkerrechtlichen Überlegungen der Alliierten, die darunter den Versuch der systematischen Ausrottung, Versklavung, Deportation und Ermordung eines Teils der Zivilbevölkerung verstanden. Ehrlichs Argumentation entsprach den Statuten des Internationalen Militärgerichtshofes (IMT) in Nürnberg[6]. Göths Mitgliedschaft in der Waffen-SS wurde als kriminell bezeichnet und wurde gleichzeitig des Genozids beschuldigt[7]. Göth verwies im Prozess darauf, dass er lediglich Befehlen seiner Vorgesetzten gehorcht habe.

Aussage Helena Hirsch Horowitz (pdf)

Die Anklage gegen Amon Leopold Göth

Bilder vom Göth-Prozess
Bilder vom Göth-Prozess

Die Staatsanwaltschaft hat fünf konkrete Anklagepunkte formuliert: 1.Göth wird beschuldigt, als Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Plaszów den Tod von etwa 8000 Menschen verursacht zu haben und dabei immer wieder eigenhändig getötet zu haben 2.Göth soll während der im Auftrag von SS-Obersturmbannführer Willi Haase durchgeführten „Liquidierung“ des KrakauerGhettos den Tod von etwa 2000 Menschen verschuldet haben. 3.Göth soll während der „Liquidierung“ des Ghettos in Tarnow die Deportation von 8000 Menschen angeordnet und während dieser Aktion eine unbestimmte Anzahl von ihnen ermordet haben. 4.Bei der schrittweisen Auflösung des Lagers in Szebnie zwischen September 1943 und Februar 1944 soll Göth den Befehl zur Ermordung zahlreicher Lagerinsassen bzw. zur Deportation von Häftlingen in andere Lager gegeben haben 5.Göth soll sich Wertsachen der im Lager inhaftierten Juden angeeignet haben: Gold und Geld, aber auch Kleidung, Möbel und andere bewegliche Habe. Der Wert dieser Schätze soll mehrere Millionen Zloty betragen.

Zielsetzung des Gerichts

Dem Gericht liegen Dokumente und Beweise der „Hauptkommission zur Untersuchung von Hitlerverbrechen in Polen “ vor, zudem Material, das von der „Historischen Jüdischen Kommission“ zusammengetragen worden ist. Staatsanwalt Tadeusz Cyprian erläuterte die Zielsetzung des Gerichtshofes und des Prozesses:

Wir wollen der Welt zeigen, wohin das totalitäre Regime Hitlers geführt hat – es machte aus normalen Bürgern KZ-Kommandanten und Schinderknechte, es schuf Schulen für Folter und für Henker, es lehrte den Menschen Bestialität und das Misshandeln des Nächsten. Die grauenvollen Dinge, die im Namen dieses Regimes passierten, übersteigen jede Vorstellungskraft: Kinder, die ihren Müttern unter den Händen ermordet wurden, indem man sie lebendig ins Feuer warf, Menschen, die von Hunden zerrissen wurden, Menschen, die schlimmer behandelt wurden als das Vieh von seinem Schlächter, zu Tausenden ohne Grund ermordet und zu Tode gehungert – das ist die Geschichte der Hitlerherrschaft. Vor diesem Hintergrund ist es unsere Aufgabe als Ankläger, nicht nur so viele Beweise zu präsentieren, die notwendig sind, um die Schuld des Angeklagten zu zeigen, sondern wir sollten die ganze Wahrheit aufdecken, die vollständige Wahrheit ... Es sollte die Frage beleuchtet werden, in welchem Ausmaß sich das ganze deutsche Volk für die furchtbaren Verbrechen, die von den Männern an seiner Spitze begangen worden sind, vor der Menschheit verantworten muss.“[8]

Göth lädt Zeugen

Bild:Begnadigungsgesuch Amon Göth.jpg
handschriftliches Begnadigungsgesuch Amon Göths
Die Rosner-Brüder nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Rosner-Brüder nach dem Zweiten Weltkrieg

Göth hat zwei Verteidiger, die zum Auftakt um Befreiung von ihrer Aufgabe bitten, sie würden sich als Polen außer Stande sehen, einen verhassten Deutschen zu verteidigen. Göth bat um eine Reihe von Entlastungszeugen: Dr. Leon Gross und Dr. Bieberstein, Dr. Michael Weichert, der Leiter der „Jüdischen Unterstützungsstelle“, SS-Obersturmbannführer Willy Haase und die Brüder Herman und Leopold Rosner, seinen Schreiber Pemper und seinen „Freund“ Oskar Schindler. Oskar Schindler lebte zu dieser Zeit in Regensburg und nahm im Herbst 1946 nach der Vollstreckung des Todesurteils Kontakt zu Pemper auf.[9]

Göth leugnet alles

Göth bekennt sich nicht schuldig. Zu den einzelnen Anklagepunkten führt er aus: Es stimme nicht, dass in Plaszów Tausende Menschen umgekommen seien. Es sei auch nicht wahr, dass im Lager Häftlinge gequält oder durch Hunde zerrissen worden seien. Er glaube, dass sich kein einziger Zeuge finden werde, der behaupten könne, dass ein Häftling zu Tode gequält oder von Hunden getötet worden sei. In Plaszów habe es keine Tötungen ohne Grund gegeben. Und Chilowicz habe er auf Befehl Koppes erschießen müssen, den er schon zuvor über die Absichten des Lagerältesten informiert habe. Bereicherung durch Eigentum jüdischer Häftlinge könne ihm nicht nachgewiesen werden, er habe alles regulär gekauft, die Rechnungen seien von SS-Gerichten anerkannt worden. Betrügereien bei der Versorgung der Häftlinge habe es nicht gegeben.

Mietek Pemper macht eine Aussage gegen Göth
Mietek Pemper macht eine Aussage gegen Göth

Augenzeugenberichte

Göth rechnet nicht damit, dass trotz dichter Postenketten Erschießungen beobachtet worden sind. Er rechnet vor allem nicht damit, dass diese Zeugen überlebt haben. Ein Zeuge nach dem anderen macht seine Aussage, erzählt von Morden und Gewalttaten, von Folter und Terror. Göth demonstriert sein Desinteresse, indem er seine Fingernägel poliert, er weist jegliche Verantwortung für das Geschehene von sich. Alles sei eine Sache der Krakauer und Berliner SS-Chefs gewesen, vor allem Scherners Stabsführer Willy Haase habe sich als Judenmörder hervorgetan.

Überführung durch unzweideutige Beweise

Im Verlauf des Prozesses nimmt Göth Pemper 90 Minuten ins Kreuzverhör. Pemper berichtet über die „Gesundheitsaktion“ vom Mai 1944 und über das abgekartete Spiel bei der Ermordung des Jüdischen Lagerältesten Wilek Chilowicz , von seinem Einblick in die Geheimkorrespondenz im Panzerschrank der Kommandantur. Göth muss im Prozess erkennen, dass sein „Bürosklave“[10] systematisch Informationen gesammelt und genutzt hatte, um seinen Mitgefangenen zu helfen:

Sicher nicht zum ersten Mal dürfte er bereut haben, dass er diesen Pemper nicht erschossen hatte, denn meine Aussagen waren eindeutig und so unwiderlegbar, dass sich Göth als intelligenter Mensch in diesen Minuten ausgemalt haben muss, was ihm blühte.“[11]

Die Juristen Krakaus betrachteten Pemper mit einigem Erstaunen. Niemand konnte sich so richtig vorstellen, wie ein 23-jähriger junger Mann einen „je nach Stimmung hemmungslos mordenden Lagerkommandanten so lange und so wohlüberlegt hatte austricksen können“.[12]

Urteilsverkündigung

Göth bei der Urteilsverkündung
Göth bei der Urteilsverkündung

Am 5. September erfolgt die Urteilsverkündigung: „Der österreichische Staatsbürger Amon Leopold Göth, geboren am 11. Dezember 1908 in Wien, geschieden, von Beruf Privatbeamter, römisch-katholisch, wird in allen fünf Anklagepunkten für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Alle öffentlichen Rechte sowie alle bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm für immer aberkannt; sein gesamter Besitz konfisziert. Die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten des Staates.“[13]

In der noch einmal detailliert auf seine Verbrechen eingehenden Urteilsverkündigung heißt es abschließend:

Die Eliminierung eines Menschen vom Typ des Angeklagten aus dem gesellschaftlichen Leben muss daher vollständig und zur Gänze erfolgen, denn das erwartet sich die Menschheit nach den grauenvollen Jahren des Krieges.“[14]

Hinrichtung

Häftlinge und Wachpersonal (Montelupich Gefängnis)
Häftlinge und Wachpersonal (Montelupich Gefängnis)
Montelupich Gefängnis
Montelupich Gefängnis

Die Hinrichtung wird für den 13. September 1946 festgesetzt, aber der Termin wird nicht öffentlich bekannt gemacht.

Göths Hände sind auf den Rücken gebunden, als er knapp vor 18 Uhr im Montelupich-Gefängnis zum Galgen geführt wird. Anwesend sind neben den Henkern fünf Personen: Staatsanwalt Jan Brandys, der Gefängnisdirektor Tadeusz Urbanek, der Arzt der Haftanstalt Dr. Eryk Dormicki, der Gefängniskaplan Pfarrer Gerard Domagala und der Protokollant Henryk Slizowski, Leier des Sekretariats der Krakauer Staatsanwaltschaft. Nachdem Göth das Podest unter der Schlinge bestiegen hat, ergreift Jan Brandys das Wort und verliest in knappen Worten die Entscheidung über das Gnadengesuch des Delinquenten: Der Präsident des Nationalen Volksrates hat von seinem Recht auf Begnadigung keinen Gebrauch gemacht, das Todesurteil ist zu vollstrecken. Dann gibt es ein Problem: Die Henker haben ein zu langes Seil vorbereitet; die Schlinge muss noch einmal über den Kopf gestreift und der Strick verkürzt werden. Göth bewahrt Ruhe, auch, als noch ein zweites Mal verkürzt werden muss – die Henker haben offenbar seine Körpergröße unterschätzt. Erst im dritten Anlauf passt die Länge des Seils. Bevor einer der Henker zum Hebel greift und den Fallmechanismus auslöst, hat Göth nur noch Zeit für zwei Wörter, zwei Wörter, mit denen er gelebt hat und mit denen er auch sterben will: „Heil Hitler![15]

Der Mörder aus Wien erhält keine Grabstätte. Der Leichnam Amon Leopold Göths wird verbrannt, die Asche in die Weichsel gestreut.

Tätigkeit Pempers bei weiteren NS-Prozessen

Wegen seiner Zweisprachigkeit arbeitete Pemper als Dolmetscher auch noch bei weiteren NS-Prozessen, als Zeuge sagte er in Krakau auch gegen Gerhard Maurer, Lorenz Landstorfer und gegen zehn andere SS-Männer aus Plaszów aus, ebenso gegen Arnold Büscher, den Nachfolger von Amon Göth. Auch bei weiteren NS-Prozessen in Deutschland in Hannover und Kiel wurde Pemper als Zeuge vernommen.

Angeklagte NS-Verbrecher (pdf)

Mietek Pemper als Hauptzeuge im Prozess gegen Gerhard Maurer

Hierarchie Amtsgruppe D
Hierarchie Amtsgruppe D

Mietek Pemper wurde zum Hauptzeugen der Anklage im Kriegverbrecherprozess gegen Maurer, der 1951 in Warschau stattfand. Von seinem Oranienburger Dienstort aus hatte der SS-Führer mit großem Engagement und sehr effizient die Judenverfolgung betrieben. Maurer gab zu, jedes KZ persönlich inspiziert zu haben. Am 23.Februar 1950 gab Pemper folgende eidesstattliche Erklärung ab:

Meine Informanten, die SS-Offiziere in Plaszów, haben Maurer oft als eine ganz besonders aktive Persönlichkeit bezeichnet. Ein Beweis dafür war die Tatsache, dass eben er der Stellvertreter von Glücks war und i.V., also in Vertretung, unterschreiben durfte und nicht i.A., im Auftrag, obwohl die Vertretung normalerweise der Chef des Amtes DI hätte haben sollen. Die SS-Offiziere sagten manchmal ironisch, dass es eigentlich nur eine Tätigkeit innerhalb der Amtsgruppe D gebe, die Maurer nicht allein ausführen könne und für die die Unterschrift von Glücks notwendig sei, und das sei die Unterzeichnung der Langstrecken-Kfz-Fahrgenehmigungen, weil diese die Unterschrift eines Generals tragen mussten.“[1]

Maurer hatte eine herausragende Rolle beim organisatorischen Ablauf der Judenverfolgung und bei der Verwaltung der KZ. Am 18. November übertrug General Pohl SS-Obersturmbannführer Maurer die dauernde Vertretung von General Glücks , dem Amtsgruppenchef. Glücks überließ nach und nach fast alle wichtigen Angelegenheiten Maurer, nur nach außen hin galt Glücks noch als der Inspekteur.

Nach dem Krieg gelang es Oswald Pohl und Gerhard Maurer mit falschen Papieren und als Hilfsarbeiter getarnt unterzutauchen. Im Mai 1946 wurde Pohl gefunden und der Justiz der Alliierten übergeben. Im November 1947 verurteilte ihn das Gericht im sog. WVHA –Prozess in Nürnberg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zum Tode. 1951 wurde er hingerichtet. Gerhard Maurer wurde von den Amerikanern nach Polen ausgeliefert. Im Gerichtsverfahren gegen ihn 1951 in Warschau schilderte Mietek Pemper, wie bereits im Prozess gegen Amon Göth, die Aktionen gegen die Ungarischen Juden.

Rechtfertigung Gerhard Maurer im Prozess in Krakau 1951 Teil 1 (pdf)

Rechtfertigung Gerhard Maurer 18.05.51 teil 2 (pdf)

Aussage Hans Nathusius 18.09.47 im Maurer Prozess (pdf)

Aussage Oswald Pohl (pdf)

Judenverfolgung in Ungarn

Im März 1944 marschierte die deutsche Wehrmacht in Ungarn ein und besetzte das Land ihrer ehemaligen Verbündeten. Sie übten solange Druck auf den Ungarischen Regenten Miklos Horthy aus, bis er schließlich einige hunderttausend Juden dem „Kommando Eichmann“ übergab - alte Leute und Kinder wurden sofort nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.

Nach einem Briefwechsel zwischen Göth und Maurer, in dem es darum ging, wie viele Ungarische jüdische Juden das Konzentrationslager Plaszów vorübergehend (d.h. bis zur Fertigstellung von Barackenlager mit Einzäunung in den Rüstungsbetrieben) aufnehmen konnte, antwortete Göth, dass er 8.000 Juden aufnehmen könne, aber nur, wenn eine Doppelbelegung der Pritschenerlaubt sei. Maurer lehnte diesen Vorschlag Göths wegen der Seuchengefahr ab, er könne dies wegen der strategischen Bedeutung Krakaus als Verkehrsknotenpunkt und wegen der gesundheitlichen Gefährdung der ca. 600 SS- und Polizeiangehörigen nicht gestatten.

Neuaufnahme arbeitsfähiger Juden – Arbeitsunfähige kommen ins Vernichtungslager

Selektion nicht arbeitsfähiger Juden
Selektion nicht arbeitsfähiger Juden

Göth ließ den Vorgang nicht auf sich beruhen. In einem Fernschreiben an Maurer senkte er die Zahl der aufzunehmenden Häftlinge auf 6000 und verknüpfte dies mit der Bedingung, die nicht voll arbeitsfähigen Häftlinge seines Lagers zur „Sonderbehandlung“ nach Auschwitz schicken zu dürfen. Umgehend erfolgte daraufhin Maurers Zustimmung per Telex. Der Kommandeur in Auschwitz bekomme die Anweisung, den Transport aus dem KL Plaszów entgegen zu nehmen. Daraufhin erfolgte am 7. Mai 1944 ein sogenannter Gesundheitsappell unter dem Motto „Entsprechende Arbeit für Jeden“ im KL Plaszów mit dem Ziel, die arbeitsfähigen Juden von den nicht arbeitsfähigen Juden zu selektieren. Mietek Pemper wurde auf eigene Bitte von Göth persönlich vom Appell freigestellt, konnte aber infolge seines Argwohns gegen diese Maßnahme seine Freunde vorwarnen. Am 14. Mai wurden die nicht arbeitsfähigen Juden nach Auschwitz transportiert.

Zeugenaussage gegen Göth:

Amon Göth sagte im Prozess aus, er könne sich zwar an den Transport erinnern, es sei ihm aber nicht bewusst gewesen, dass die Häftlinge getötet werden sollten. Mietek Pemper hingegen erklärte:

Für uns im Lager ....... war es im Grunde eindeutig , dass diese Menschen in den Tod geschickt wurden. Der Transport vom 14. Mai bestand vor allem aus kleinen Kindern und ganz alten Menschen. Schließlich wurden ihm noch Kranke aus dem Krankenrevier hinzugefügt. Es war für uns klar, dass diese Menschen in Auschwitz in den Tod gingen....... Es wurden etwa 1400 Menschen nach Oswiecim geschickt, darunter 286 Kinder. Göth sandte ein Telegramm nach Oswiecim, das die genauen Zahlen der Kinder, Kranken und Alten enthielt. Ich führte diese Korrespondenzen allerdings nicht, sondern sah nur später einige der Fernschreiben. Die ganze Aktion wurde sehr geheim gehandhabt.“[2]

Nachdem kurz nach dem Transport drei junge Männer bei einem Fluchtversuch bei einem Außenkommando ums Leben kamen, beabsichtigte Göth, alle Häftlinge in den Außenkommandos „zur Verhinderung von Fluchtversuchen ... mit gestreiften Häftlingsanzügen“ auszustatten und bat in einem Fernschreiben nach Auschwitz darum, man möge „die Häftlingskleidung des Sonderbehandelten des Transportes vom 14. Mai zurückschicken“. Damit war der Beweis erbracht, dass Göth die Bedeutung des Begriffs „Sonderbehandlung“ kannte. Göth war mit seinem Brief an Maurer vorgeprescht und hatte mit seiner Eigeninitiative die Vernichtung der nicht arbeitsfähigen Juden beschleunigt.[3]

Prozess gegen Maurer

Wie konnte ein Häftling solche detaillierten Kenntnisse der Vorgänge im Lager erhalten? Maurer erklärte während des Prozesses gegen ihn kategorisch: „Der Zeuge (i.e. Mietek Pemper) kann das, was er hier erzählt, nicht selbst erlebt oder gelesen haben.“[4] Er, Maurer, habe persönlich alle zwanzig KL inspiziert, und in keinem von ihnen habe es einen jüdischen Häftling als Stenograph eines Lagerkommandanten gegeben. In einem KL sei so etwas undenkbar gewesen. Aber bereits bei der eidesstattlichen Erklärung vom 23.Februar 1950 beim Untersuchungsverfahren gegen Maurer hatte Pemper über seine Arbeit bei Göth zu Protokoll gegeben:

Von März 1943 bis Oktober 1944 war ich als Gefangener des Lagers in Plaszów zusammen mit andern Häftlingen zu Bürotätigkeiten eingeteilt und arbeitete als Kanzleikraft und Stenograph in der Lagerkommandantur. Im Rahmen meiner Tätigkeit hatte ich Einblick in Akten und Korrespondenz des Lagers und außerdem die Möglichkeit, die eingehenden und abgeschickten Geheimschreiben zu lesen.“[5]

Aussage Oswald Pohl (pdf)

Unzweifelhafte Belege Pempers

Mietek Pemper konnten neben seinen eidesstattlichen Aussagen seine Glaubwürdigkeit vor Gericht durch zahlreiche Details unter Beweis stellen, u.a. durch sein Wissen über eine Trauerkarte, die Maurer im Sommer 1944 an alle KZ- Kommandanten gesandt hatte, um ihnen mitzuteilen, dass seine Frau und seine drei Kinder bei einem feindlichen Fliegerangriff ums Leben gekommen seien. Dies veranlasste Maurer, die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht mehr vor Gericht anzufechten. Laut begann er darauf hin vor Gericht über Göth zu schimpfen:

Wie konnte Göth nur so eigenmächtig handeln! Wie konnte er sich dermaßen über alle Vorschriften hinwegsetzen?“

Mietek Pemper konnte das Gericht davon überzeugen, dass das KZ Plaszów eben ganz anders als Konzentrationslager im Deutschen Reich gewesen sei. Im Falle von Plaszów habe es sich zunächst um die Fortsetzung des Krakauers Ghettos gehandelt, Pemper sei gewissermaßen mit dem „Inventar“ der Ghettoverwaltung übernommen wurde, nur so lasse sich seine besondere Rolle erklären.

Organisationsstruktur der Amtsgruppe D

Mietek Pemper konnte das Gericht über die Organisationsstruktur und Zuständigkeiten der Amtsgruppe D (Amtsgruppe des Wirtschaftsverwaltungs-hauptamtes) aufklären. „Solche Zeugen wünsche ich mir in jedem Prozess“ bilanzierte der Gerichtsvorsitzende und konzedierte, dass Mietek Pemper über einzigartige und außergewöhnliche Informationen verfügte, die für die Aufklärung der NS-Verbrechen von hohem Wert gewesen seien.

Pemper verstand die Worte des Gerichtsvorsitzenden als großes Kompliment, das unterstrich, was ihm stets wichtig gewesen war:

Ein Zeuge soll keine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Er soll nur sagen, was er gesehen oder erfahren hat. An diese Maxime habe ich mich immer gehalten".[6]

Prozess gegen Rudolf Höß in Warschau

Im Prozess gegen Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, der in Warschau stattfand, fungierte Pemper als Berater, da nur wenige die Stenographischen Notizen von Höß und von Maria Mandel, der berüchtigten SS-Lagerführerin von Auschwitz-Birkenau entziffern konnten.[7] Höß wurde am 2. April 1947 auf dem Gelände des KZ Auschwitz hingerichtet.

Krakow, Poland, The Auschwitz trial, Maria Mandel, a defendant from the guards staff. Quelle: Yad Vashem
Krakow, Poland, The Auschwitz trial, Maria Mandel, a defendant from the guards staff. Quelle: Yad Vashem

Auschwitz-Prozess in Krakau 1947

Im großen Auschwitz-Prozess 1947, in dem zweiundzwanzig von vierzig Leuten am 22. Dezember 1947 zum Tode verurteilt wurden und welcher der größte Prozess gegen Naziverbrechen in Polen war, saßen unter anderem Arthur Liebehenschel, Maria Mandel, Dr. med. Johann Paul Kremer, Ludwig Plagge und Dr. med. Hans Münch auf der Anklagebank. In dem Prozess schilderten die Zeugen schreckliche Szenen, unter anderem dass die Oberaufseherin Maria Mandel mit Stöckchen in den Genitalien der ankommenden Frauen bohrte, um versteckte Wertgegenstände zu finden.

Freispruch für Dr. Münch

Der einzige, der bei diesem Prozess freigesprochen wurde, war der Arzt Dr. Münch, der in Rajsko im SS-Hygiene-Institut, das zum KZ Auschwitz gehörte, tätig gewesen war. Einige Zeuginnen berichteten, dass er sich um sie gekümmert und ihnen Essen zugesteckt habe und sie sogar manchmal gewarnt hatte wenn am nächsten Tag Selektionen stattfinden sollten, weswegen er diese dann im Institut übernachten ließ. Münch wurde allerdings 1947 nur mangels fehlender Dokumente freigesprochen. Untersuchungen ergaben, dass sich Münch abfällig über Ostjuden geäußert hatte und ein Bewunderer von Josef Mengele gewesen war[8]. Münch wurde nach seiner Freilassung nach Deutschland abgeschoben und führte bis zu seiner Pensionierung in Roßhaupten am Forggensee eine Privatpraxis.

Pemper überführt Göths Vorgesetzten Willi Haase

Bei dem Prozess gegen den SS- Sturmbannführer und Vorgesetzten von Amon Göth Willi Haase, bei dem Mietek Pemper ebenfalls als Zeuge aussagte, gab es einige Verwirrungen. Haase behauptete, es liege eine Verwechslung vor, er sei nicht der gesuchte SS- Sturmbannführer. Nur dank Pempers überragendem Gedächtnis und seiner Detailkenntnisse konnte Haase überführt werden, der daraufhin nicht länger seine Identität abstritt. Am Ende wurde Haase wegen seiner Verbrechen bei der Auflösung der Ghettos zum Tode verurteilt.

Einsatz für Dr. Johann Paul Kremer

Pemper verfasste für Dr. Johann Paul Kremer, einen Mediziner aus Münster im Rahmen des großen Auschwitz-Prozesses ein Gnadengesuch. Mietek schrieb, dass man berücksichtigen müsse, dass er nur wenige Monate in Auschwitz gewesen sei und auch nicht freiwillig. In seinem Tagebuch, das Kremer geführt hatte, hatte dieser sich nie abfällig über Juden geäußert. Pemper fand dieses Tagebuch insofern sehr bedeutend, als hier ein deutscher Professor den klaren Beweis für die Existenz von Auschwitz und Birkenau als Vernichtungslager führte. Das Gericht beanstandete allerdings, dass Kremer in seinem Tagebuch im gleichen Atemzug von der Entnahme frischer Leberzellen bei einem Häftling und sodann das leckere Mittagessen in der SS-Kantine beschrieben hatte.


Urteil im Verfahren gegen Dr.Kremer vor dem LG Münster aus dem Jahre 1960

Schulddifferenzierung

Pemper schrieb das Gnadengesuch aus echter Überzeugung, weil er fand, dass man differenzieren müsse zwischen Leuten wie Amon Göth und Kremer. Er verlor den Fall Kremer aus den Augen und erfuhr erst nach 1958 von seinem Prozess in Münster. Dort stand er zu dieser Zeit erneut vor Gericht, denn nach seiner 10-jährigen Haftstrafe, die er aufgrund des Gnadengesuchs erhalten hatte, war er von Bromberg, wo er diese Strafe abgesessen hatte, nach Deutschland abgeschoben worden, wo er wegen seiner Tätigkeit in reichsdeutschen Konzentrationslagern eine mehrjährige Gefängnisstrafe erhielt. Allerdings verließ Kremer den Gerichtssaal als freier Mann, da ihm seine Gefängnisstrafe in Polen angerechnet wurde.

Prozess gegen Dr. Josef Bühler

Akt Okarzonia, Josef Bühler, polnisch, 31.5.1948
Akt Okarzonia, Josef Bühler, polnisch, 31.5.1948

1948 fand in Krakau ein Verfahren gegen Dr. Josef Bühler, den Stellvertreter des Generalgouverneurs Dr. Hans Frank statt.[9] Frank wurde am 1.Oktober 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilt und einige Monate später gehängt. Weil der Prozess nicht in Polen stattgefunden hatte, kam dem Prozess gegen seinen Stellvertreter umso größere Bedeutung zu. Anfangs sah es sehr gut für Bühler aus, da viele Zeugen aussagten, dass er ihnen wo er nur konnte geholfen habe und sich vor allem um katholische Belange angenommen hatte. Die erzbischöfliche Kurie in Krakau stellte seinen Verteidiger. Aber was bis zu diesem Zeitpunkt nur Staatsanwalt Professor Jerzy Sawicki wusste und auch Pemper erzählte, war, dass er auf Einladung von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich an der Wannsee-Konferenz teilgenommen hatte.

Teilnahme an der Wannsee-Konferenz

Aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz geht hervor, dass Bühler den Antrag gestellt hatte, mit der Judenvernichtung im Generalgouvernement zu beginnen[10]. „Allein dieser Vorschlag, im Generalgouvernement mit der Vernichtung von fast zweieinhalb Millionen Menschen zu beginnen“, erklärte der Staatsanwalt beim Prozess, „reicht aus, um die Todesstrafe zu begründen.“[11]

Bühler gehörte zwar nicht zu den direkten Tätern, doch ihn beging er von seinem Schreibtisch aus "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit"[12] Pemper befragte ihn als sein Dolmetscher zu seiner Initiative bei der Wannsee-Konferenz. Er zeigte keinerlei Spur von Scham oder Bedauern:

Es gab etwa zweieinhalb Millionen Juden im Generalgouvernement, und wir hatten für sie keine Beschäftigung, keine Arbeit und keine richtige Unterbringung. Es gab Lebensmittelprobleme, und wir hatten Angst vor Epidemien. Ich wollte nur, dass die Juden endlich verschwinden. Aber ich wusste nicht, dass die Leute in den Tod gehen sollten.“[13]

Pemper (heute)
Pemper (heute)

Bühler wurde zur Todesstrafe verurteilt. Der Staatsanwalt erklärte Pemper später, dass Bühler die Todesstrafe aus politischen Gründen bekommen habe, da man den Polen gegenüber ein Zeichen setzen wollte. Da Hans Frank nicht ausgeliefert wurde, war Bühler gewissermaßen ein Bauernopfer, der ansonsten mit einer Gefängnisstrafe davongekommen wäre.

Keine Worte des Bedauerns seitens der Täter

Pemper schrieb alle seine Erinnerungen auf und machte dies zum Teil auch, um zu demonstrieren, dass er, obwohl er 540 Tage für Amon Göth arbeiten musste, sich nichts zuschulden kommen ließ. Das war auch ein Grund, weshalb er sich bereiterklärte, als Hauptzeuge gegen Amon Göth aufzutreten. Pemper bedauert, dass bei allen Verhandlungen, bei denen er als Zeuge oder als Dolmetscher fungierte, niemals von den Tätern ein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns gehört hat.

Einzelnachweise

  1. Aussage beim Untersuchungsverfahren gegen Gerhard Maurer vom 23. Februar 1950 in Krakauvor der Hauptkommission zur Untersuchung der Hitlerschen Verbrechen in Polen . Richter: Dr. Henryk Gawacki, Protokollant: Stanislaw Malec. Das Original in polnischer Sprache befindet sich im Instytut Pamieci Narodowej in Warschau unter der Signatur SWIKr 11, sygn. Sadowa K291/51. Als Gerhard Maurer im März 1942 zum Leiter des Amtes D II ernannt wurde, erfolgte auch seine Beförderung zum SS-Obersturmführer zum SS-Obersturmbannführer, und etwas später, am 20. April 1944, wurde er zum SS-Standartenführer befördert, was dem Rang eines Obersten entsprach. Dieses Dokument wird von nun an zitiert als: Aussage vom 23. Februar 1950 beim Untersuchungsverfahren gegen Gerhard Maurer.
  2. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 135f
  3. ebenda, S. 136
  4. Pemper, a.a.O.,S. 137
  5. ebenda
  6. Mietek Pemper; Der Rettende Weg ; Hamburg 2005 ; S 138
  7. Pemper, S. 247
  8. Pemper, S. 248f
  9. Der Prozess gegen Josef Bühler fand laut Law Report of Trials of War Criminals, The United Nations War Crimes Commission, Bd XIV, London, HMSO, 1949 vom 17.Juni bis zum 10. Juli 1948 in Krakaustatt, so Pemper, S. 252 mit Angabe der Internetadresse
  10. zitiert nach Pemper, S.253f
  11. zitiert nach Pemper, S. 254
  12. Pemper, S. 255
  13. Zitiert nach Pemper, S. 255
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