Kapitel 9 - Unberechenbarkeit Göths

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Inhaltsverzeichnis

Göths makabrer Humor

Steinbruch im KZ Plaszow
Steinbruch im KZ Plaszow
Göth ist der Ansicht, dass er umso schneller in der Hierarchie des Dritten Reichs aufsteigt, je mehr Juden er erschießt. Deshalb hängt im sogenannten „Jagdzimmer“ seiner neuen Villa der Spruch, den er sich zum Motto seiner Herrschaft in Krakau erkoren hat: Wer zuerst schießt, hat mehr vom Leben. Überhaupt hat er einen makabren Humor. Für den Bau eines neuen Barackenfundaments im Lager lässt er Häftlinge riesige Steine aus dem Steinbruch ins Lager schleppen. Lachend meint er zu SS-Leuten in seiner Begleitung: „Das ist meine neue Einstein-Theorie“.

Göth ist in der Laune zu Töten

Im April 1943 werden die zwei Schwestern Sonja, 15 Jahre und Blanca Schreiber, 23 Jahre alt dazu eingeteilt, die grob zerschlagenen Grabsteine der beiden jüdischen Friedhöfe in Krakau weiter zu zerkleinern, um damit die Lagerstraße zu pflastern. Der OD-Mann Benno meint es gut mit ihnen, treibt sie nur zur Arbeit an, wenn Gefahr im Verzug ist. Das Code-Wort sechs verheißt nichts Gutes. Göths schwarze Limousine nähert sich, die Frauen beginnen wie wild drauf los zu arbeiten. Göth trägt einen weißen Schal- ein untrügliches Zeichen, dass Göth in der Stimmung zum Töten ist.

Scheinbar entspannt beobachtet er die Frauen, dann hat er ein erstes Opfer entdeckt. Eine Frau trägt nur einen Eimer. Mit der Peitsche schlägt er sie ohnmächtig. Dann geht Göth auf die Gruppe mit Sonja und Blanca zu und beobachtet sie minutenlang. „Plötzlich, ohne Vorwarnung, stürzt er auf Zosia Ormianers Mutter zu, nimmt ihr den Hammer weg und versetzt ihr damit einige Schläge. Dann setzt er sich hin, um den perplexen Jüdinnen zu demonstrieren, wie man als Mitglied der Herrenrasse die Steine richtig klopft: Er zwängt einen kleinen Stein zwischen zwei größere Brocken ein und hämmert mit aller Kraft darauf los – doch dies ist für den Hammer zu viel, er zerbricht, was Göth so richtig in Wut versetzt: Er beginnt Zosias Mutter mit der Peitsche zu schlagen, bis sie ohnmächtig wird. ‚Arbeite!’ flüstert Blanca ihrer Schwester zu, ‚die Frau ist bereits tot. Schau auf keinen Fall hin!’ Aber auch ohne den Kopf zu heben kann Sonja die Tote sehen.“[1]

Als der Kommandeur weg ist, untersuchen sie die Tote und finden heraus, dass Göth Zosia Ormianers Mutter mit einer Pistole mit Schalldämpfer ermordet hat.

Töten ohne Barmherzigkeit

Ordnungsdienst (OD) des Ghetto Krakau
Ordnungsdienst (OD) des Ghetto Krakau

Der OD-Mann Benno hasst Göth für diese Tat: „Er ist weg. Der Hundesohn ist weg.“ Jetzt hilft er einer Gruppe von Frauen, die mit einem Schubkarren die schweren Steine transportieren und kaum weiterkommen. Benno bemerkt die Erschöpfung der Frau, nimmt ihr den Schubkarren ab und erlaubt ihr neben ihm her zu gehen. Aber da kommt bereits wieder die schwarze Limousine des Kommandanten. Er hat alles gesehen.

Er steigt aus, geht auf den Mann zu, der es gewagt hat, einem jüdischen Häftling gegenüber sich menschlich zu zeigen, und beginnt ihn gnadenlos zu schlagen. Dann befiehlt er der Frau zu laufen, vor ihm einfach wegzulaufen. Die Jüdin weiß, dass dies ihr Todesurteil ist und fällt vor Göth auf die Knie, fleht verzweifelt um ihr Leben. Ein brutaler Tritt gegen die Brust ist die Antwort, dann schießt Göth. Die Frau fällt zu Boden, ist aber nicht tödlich getroffen und richtet sich wieder auf, bewegt lautlos die Lippen, versucht noch einmal um Gnade zu bitten. Göth feuert den nächsten Schuss auf sie ab. Am Boden liegend, streckt die Frau ihre blutüberströmten Arme aus, versucht näher an ihren Mörder heranzukriechen. Ein dritter Schuss Göths peitscht auf – die Frau bewegt sich nicht mehr ...[2]

Göth lauert seinen Opfern auf

Selbst in der Nacht sind die Häftlinge vor Göth nicht sicher. Ausflüge im Dunkeln bereiten Göth besonderes Vergnügen. Er wählt meist die Zeit nach Mitternacht; ausgerüstet mit einer kleinen Laterne macht er sich dann auf einen Kontrollgang zu den in Nachtschicht arbeitenden Häftlingen. Göth zögert nicht, auf jemand zu schießen, der vor Übermüdung über seiner Arbeit eingeschlummert ist.

Lustvolles Töten als Zeitvertreib

Gefährlich für die Häftlinge ist des Nachts nicht zuletzt der Weg zur Latrine – nicht selten lauert hier Göth auf ein Opfer. Roman Frister, dem Jungen aus Bielsko-Biala wird dies beinahe zum Verhängnis. Als er eines Abends den Beginn der Ausgangssperre übersieht und sich im Dunkeln zu seiner Baracke stehlen will, wird er von Göth überrascht: ‚Was machst Du hier, du verseuchter Jid?’ fährt er den entsetzten Jungen an. ........’Vor Angst wie gelähmt, blickte ich auf seine rechte Hand. Langsam senkte sie sich auf sein Pistolenhalfter. Die Waffe wurde gezogen, der Lauf auf mich gerichtet, Nun spielte er mit mir Katz und Maus. Er zögerte den Moment des Schusses hinaus, genoss seine Macht und meine gespannte Erwartung des Todes. Er wusste, in den Augenblick, in dem er auf den Abzug drückte, wäre der angenehme Zeitvertreib vorbei.’[3] Glücklicher Weise versagt Göths Waffe, Roman flieht und überlebt den Terror und den Krieg.

Jagd auf Menschen mit dem Auto

Neben dem Schießen macht Göth auch das Autofahren weiterhin großen Spaß und so nützt er jede Gelegenheit, um sich hinter dem Lenkrad seiner PS-starken Fahrzeuge ein bisschen zu entspannen. Szalom Lezer, ein 24-jähriger Jude aus Krakau, wird Zeuge einer dieser Vergnügungsfahrten Göths: Lezer kehrt eines Tages gerade die Stufen vor dem Kühlhaus ab, als der Kommandeur in seinem BMW-Cabriolet in den Wirtschaftshof einbiegt. Da er sofort Göth erkannt hat, nimmt er Haltung an und erweist ihm so die vorschriftsmäßige Ehrenbezeigung. Ein Kamerad, der zwanzig Meter weiter ebenfalls mit dem Zusammenkehren des Hofes beschäftigt ist, steht mit dem Rücken zur Fahrbahn und bemerkt deshalb den Wagen Seiner Exzellenz nicht sofort. Die fehlende Ehrenbezeigung dieses Häftlings gibt Göth Gelegenheit seine sportlichen ‚Fähigkeiten’ zu zeigen. Er schaltet einen Gang runter und greift mit der rechten Hand zu seinem Revolver und feuert ohne anzuhalten einen Schuss auf den Mann ab, der verwundet zu Boden sinkt, sich dann aber wieder aufrafft. Göth, der dies bemerkt, bleibt mit quietschenden Bremsen stehen und steigt aus; da er glaubt, den Häftling verfehlt zu haben, befiehlt er dem in der Nähe stehenden OD-Mann Meller, dem Opfer 25 Peitschenhiebe überzuziehen. Doch plötzlich sieht er, dass der Häftling stark blutet – ‚Dreh dich um!’ befiehlt er daher dem Unglücklichen und schießt ihm in den Kopf. Ohne weiter ein Wort über den ‚Vorfall’ zu verlieren steigt er in seinen Sportwagen und rast davon ...[4]

Unberechenbarkeit Göths: Töten aus beliebigem Anlass

Wenn Göth in der Nähe ist, sind die Häftlinge ihres Lebens nicht mehr sicher, denn sie wissen: Göth, der König von Plaszow, ist gnadenlos, nichts berührt ihn, nichts bewegt ihn. Und er findet immer einen Grund, um zu schießen. Er schießt, wenn jemand nicht richtig Meldung erstattet, und er schießt, wenn jemand beim Appell nicht richtig in der Reihe steht, er schießt, weil jemand zu jung oder zu alt ist, sich irgendwie falsch bewegt oder schlechte Arbeit leistet...[5]

Der Jude Chaskel Anisfeld wird von Göth erschossen, weil er bei der Arbeit ein Sakko trägt, der Häftling Stefan Wassermann muss sterben, weil er von Göth beim Rauchen einer Zigarette ertappt wird. Göth erschießt seinen jüdischen Koch, weil der die Suppe zu heiß serviert hat und er sich die Zunge verbrannt hat. Lisiek Weinberg, seinen Hundehüter und Stallburschen tötet er, weil dieser ohne Erlaubnis die Kutsche holt, um jemanden heimzufahren, ohne Göth um Erlaubnis gefragt zu haben. Den Kapo der Maler, einen Mann namens Ferber wird von Göth getötet, weil er ihm nicht sagen kann, ob zu diesem Zeitpunkt 50 oder 51 Häftlinge anwesend sind. ......... Es gibt hunderte weiterer Beispiele für Göths Beliebigkeit zum Töten.

Göth genießt es zu töten

Göth tötet nicht nur aus Wut und im Zorn; er schätzt beim Töten das Überraschungsmoment. Er genießt es, den Übergang von der Normalität zur Todesangst in den Augen der Opfer zu sehen, diesen Sekundenbruchteil des ungläubigen, verzweifelten Staunens.

Tod wegen lauten Lachens

Bronia Günz steht ... am Appellplatz neben ihrer 18-jährigen Freundin Schandl Müller. Vor ihr trabt Göth auf seinem Schimmel die Reihen der Häftlinge auf und ab. Schandl kommt aus einer chassidischen Familie und ist überaus religiös; irgendetwas veranlasst sie an diesem Abend zu lachen –zu lachen genau in dem Moment, in dem Göth auf seinem Schimmel vor ihr anhält. ‚Was für eine Dummheit!’ kann Bronia gerade noch denken, ‚Juden ist es doch verboten zu lachen!’ Für Schandl ist es jedoch bereits zu spät - schon hat Göth den Revolver aus dem Holster gezogen, schon fällt der tödliche Schuss.“[6]

Ausflüge nach Szebnie und in die Schule des Mordens

In der zweiten Märzhälfte 1943 unternehmen Göth und sein Freund und Protektor Julian Scherner eine erste Inspektionsreise nach Szebnie. Dort soll das erste polnisch-jüdische Arbeitslager errichtet werden. Von Oktober 1941 bis Frühjahr 1942 hatte man hier im Frontstalag-Szebnie eiskalt 7000 russische Kriegsgefangene an Unterernährung und Krankheit zu Grunde gehen lassen. Scherner will nun gemeinsam Polen und Juden in einem Arbeitslager zusammenfassen. Es soll ein großes Kombinat von Handwerksbetrieben entstehen. 47 Handwerker aus dem Lager Plaszow sind mit Göth gekommen, um beim Aufbau des Lagers behilflich zu sein, weitere 50 Häftlinge folgen wenige Tage später, vor allem Ärzte und Elektriker.

Der Rassenwahn dominiert aber weiterhin die Lagerorganisation. In Szebnie gibt es einen Appellplatz für jüdische Häftlinge, einen für ‚arische’ Gefangene.

Saufgelage mit Lagerorchester – Spiel mit jungen Jüdinnen

Unweit vom Lager werden im Schloss von Szebnie auch die größten „Saufgelage“ der SS veranstaltet, zu denen Göth und Scherner immer wieder dazustoßen. SS-Lagerführer Josef Grzimek lässt zu solchen Gelegenheiten auch immer wieder das Lagerorchester aufspielen. Der SS-Untersturmführer Anton Scheidt zwingt einige junge Jüdinnen dazu sich nackt auszuziehen, dann jagt er sie mit der Peitsche um die Tische. Scheidt holt die hübscheste Jüdin aus dem Lager und nötigt sie vor den Augen aller Anwesenden zum Geschlechtsverkehr – was dann von SS-Oberscharführer Anton Pospiech verhindert wird. Aber solche Gerüchte sickern durch und gelangen auch zu Ohren der Gegner Göths und Scherners.

Mordakademie

SS-Hauptsturmführer Wilhelm Rosenbaum führt in Bad Rabka, auf halbem Weg zwischen Krakau und Zakopane das berüchtigte Trainingszentrum der SIPO:

Hier werden jene Techniken des Tötens vorgeführt, wie sie überall in den Lagern und bei den „Aktionen“ zum Einsatz kommen. Gut möglich, dass Göth hier bereits im Jahr 1942 seine ‚Lektion’ in Sachen Judenmord absolviert hat. Als ‚Demonstrationsobjekte’ müssen Juden aus den Orten in der Umgebung – vor allem Frauen und Kinder – herhalten. Und die ‚Schüler’, SS-Leute und Ukrainer, zeigen sich gelehrig: Das Muster der Morde in Bad Rabka – über 2000 Menschen werden in den Wäldern in der Nähe der ‚Akademie’ während der ‚Lehrgänge’ Rosenbaums getötet – lässt sich an den Mordstätten im Osten bestens dokumentieren.“[7]

Folgenlose Zollhinterziehung

Göth wird von dem SS – und Polizeigericht Krakau VI von der Anklage der Zollhinterziehung freigesprochen. Das Hauptzollamt Wien-Mitte hatte Anklage gegen ihn erstattet. Göth wurde beschuldigt unter dem Titel ‚Wehrmachtsgut’ im Jahre 1942 696 Flaschen ausländische Spirituosen, 12 kg Parfümeriewaren, 1 Buffet, zwei kleine Sessel sowie 18.000 Zigaretten hinterzogen und dadurch das Reich um eine Zollabgabe von 11.090,55 RM geschädigt zu haben. Die Gestapo hatte sich eingeschaltet, die Kreisleitung unter Hans Arnhold veranlasste die Einleitung eines parteigerichtlichen Verfahrens gegen Amon Leopold Göth.

Trotz des Freispruchs verstummten die Gerüchte über Göths Schmuggelaktivitäten nicht mehr, jemand in Wien schürte weiterhin gegen ihn. Infolgedessen wurde vom Ortsgruppenleiter ein Gutachten über Göth eingeholt, welches am 17. März 1943 erwartungsgemäß überaus positiv ausfiel: Pg. Leopold Göth –Amon (!) ist charakterlich und politisch einwandfrei. Seit dem 9. 3. 1940 befindet er sich im Osten. Seine genaue Anschrift konnte nicht erhoben werden. Göth–Amon ist ein Anwärter auf den Blutorden.[8]

In einem Schreiben an die Kanzlei des Führers vom 8.Mai 1944, mit der auf die Anfrage vom 21.April 1944 geantwortet wurde, gab ein Dr. Kanera vom Gaustabsamt der Gauleitung Wien einen ‚abschließenden Bericht in Angelegenheit Pg. Amon Leopold Göth:

Es erscheint somit die Ansicht des Kreisleiters, dass Pg. Amon Leopold Göth politisch vollkommen einwandfrei ist und die sogenannte Zollhinterziehung ihm nur zu einem ganz kleinen Bruchteil angelastet werden kann, als gerechtfertigt. Ordnungshalber habe ich noch durch den Kreiswirtschaftsberater der Kreisleitung feststellen lassen, dass ein Vorgang wegen Stilllegung des Verlages nicht vorliegt.“[9]

Einzelnachweise

  1. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 155
  2. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 156
  3. Aus Roman Fristers Lebensbericht, zitiert nach J. Sachslehner, a.a.O., S. 157
  4. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 158
  5. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 158
  6. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 161
  7. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 164
  8. zitiert nach: Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 165
  9. zitiert nach: Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 165
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