Kapitel 6 - Göth als Kommandant

Aus PemperWiki

Wechseln zu: Navigation, Suche
<- Vorhergehendes Kapitel lesen - Nächstes Kapitel lesen ->
Amon Göth auf einem Schimmel
Amon Göth auf einem Schimmel

„Im Distrikt Lublin habe ich 60.000 Juden erledigt, jetzt ist die Reihe an euch!“

Amon Göth

Inhaltsverzeichnis

Treffen mit Julian Scherner

Eisernes Kreuz, Quelle: www.welt.de
Eisernes Kreuz, Quelle: www.welt.de
Der Schlesische Adler, das Symbol des Bundes Oberland
Der Schlesische Adler, das Symbol des Bundes Oberland

In Krakau trifft Göth seinen alten Kumpel und Freund Julian Scherner wieder. Sie kennen sich aus der Münchener Zeit. Scherner führte dort seit 1933 die 1.SS-Standarte und machte Karriere. Scherner wurde 1895 im tansanischen Bagamoyo, der Hauptstadt „Deutsch-Ostafrikas“ als Sohn eines Hauptmanns der kaiserlichen Schutztruppe geboren. Er war ein alter Frontkämpfer, Inhaber des Eisernen Kreuzes und Blutordensträger und als Mitglied des Bundes Oberland schon 1923 beim Putsch Hitlers in München dabei. Jetzt ist er Herr über Leben und Tod der Juden im Distrikt Krakau. Seit August 1941 Als SSPF (Polizeiführer) in Krakau, ist er für alle Deportationen aus dem Krakauer Ghetto nach Belzec verantwortlich.

Göth als Lagerleiter in Plazow: „Ich bin euer Gott!“

Amon Leopold Göth wird nach Krakau berufen, wo er Leiter des dort entstehenden Arbeitslagers Plaszow wird. Göth will sein eigener Herr sein. Bei seinem Amtsantritt im Lager verdeutlicht er, worum es ihm geht: ‚‚Ich bin euer Gott!“ Julius Spokojny,ein 20-jähriger Jude aus Miechow, erinnert sich an folgende Aussage Göths: „Im Distrikt Lublin habe ich 60.000 Juden erledigt, jetzt ist die Reihe an euch!’’

Erschießung zweier jüdischer Kapos – Hinrichtung der Flüchtlinge

Am Freitag, den 5. März 1943 läßt Göth die Häftlinge am Appellplatz antreten. Der 17-jährige Moniek Pantirer wird Zeuge, wie Göth auf Grund des Fehlens zweier Mädchen, die ins Ghetto geflüchtet sind, zwei jüdische Kapos erschießt. Die Männer müssen sich niederknien, dann tötet er beide durch Schüsse aus nächster Nähe. Anschließend nimmt Göth seinen Hut ab, füllt diesen mit dem Blut der Toten und setzt ihn einem der Mithäftlinge Pantirers auf. „Jetzt führst Du das Kommando!“ Einige Tage später finden Suchtrupps die Mädchen. Zur Bestrafung werden sie ausgepeitscht und dann gehängt. Weil die Seile reißen, lässt Göth sie nochmals hängen und schießt auf die Hängenden. Das Sterben wird begleitet von der deutschen Lagerkapelle. Göth hat den Schlager selbst ausgesucht: Komm zurück“ von Rudi Schurike.

Das Raubtier mit Tirolerhut

Göth macht auf Pantirer den Eindruck eines ‚Raubtiers auf der Jagd’ und rasch erkennen er und seine Lagergenossen, welche besondere Rolle die Kopfbedeckungen für Göth spielen. Trägt er sein einfaches Soldatenkäppi, ist von ihm weniger zu befürchten, gefährlich wird es, wenn er seine Offiziersmütze oder gar seinen Tirolerhut aufsetzt – ‚ich rannte´, so Moniek Pantirer, ‚dann immer in die Latrine, weil er die nie betrat. Dann kam er in die Baracken und verließ sie erst wieder, nachdem er ein paar Leute erschossen hatte.’ [1]

(v.l.) Murray Pantirer, Aleksander B. Skotnicki und Abraham Zuckermann bei einem Treffern von Schindlerjuden in Miami im Februar 2005
(v.l.) Murray Pantirer, Aleksander B. Skotnicki und Abraham Zuckermann bei einem Treffern von Schindlerjuden in Miami im Februar 2005

Der Mord an Diana Reiter

Elina Lowensohn als Diana Reiter in dem Film: "Schindlers Liste"
Elina Lowensohn als Diana Reiter in dem Film: "Schindlers Liste"

Die Leitung des Lagerbaus hat der jüdische Ingenieur Zygmunt Grünberg inne. Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit Göth wird Grünberg oft Opfer gewalttätiger Übergriffe. Göth tötet ihn aber nicht, weil Grünberg unter der Protektion Julian Scherners steht. Als Grünberg einmal von Göth bittet, erschossen zu werden, antwortet ihm Göth, dass er damit noch warten würde, weil er ihn vorher noch brauche. Eines Tages werden Risse, die von nassen Ziegeln stammten, in einer Mauer der Wachkaserne gefunden. Die zuständige Architektin Diana Reiter legt Göth die Gründe für den Bauschaden dar. Offensichtlich wurden feuchte Ziegel verwendet, die später in der Kälte aufgefroren waren.

Generalgouvernements im besetzten Polen von 1941
Generalgouvernements im besetzten Polen von 1941

Entspanntheit Göths nach dem Mord

Göth hört sich die Rechtfertigungen ein paar Minuten an, kommt in Rage über dieses „jüdische Geschwätz“ und befiehlt Albert Hujer: „Leg sie um, diese Scheißingenieurin!“ Hujer zerrt die Frau zur Seite, stößt sie vor sich her, zieht seinen Revolver und schießt ihr ins Genick.[2] Alle Umstehenden sehen mit Grauen, dass Göth nach dem Mord entspannt und bester Dinge wirkt. Erstmals werden sie Zeugen seiner seltsamen Zufriedenheit nach Gewalttaten. Seinem Vater in Wien schreibt er: „Jetzt bin ich endlich mein eigener Kommandeur.“

Liquidierung des Ghettos

Am 13. März 1943 beginnt die „Liquidierung“ des Krakauer Ghetto; am gleichen Tag entgeht Adolf Hitler einem Attentat.[3] Das Ghetto war Wochen zuvor in einen Teil A und Teil B geteilt worden; zwischen beiden Lagern war Stacheldraht gezogen, ein Wechsel in den anderen Teil ist verboten. Das Ghetto A ist der Lebensraum der arbeitenden Menschen, Ghetto B ist für die nicht arbeitenden vorgesehen, also für Alte, Kranke, Kinder. Viele arbeitenden wollen aber ihre Familienangehörigen nicht im Stich lassen und wechseln in Teil B: eine Entscheidung, die sie in den Tod führt. OD-Chef David Gutter, kommissarischer Leiter des Judenrats in Krakau, für den Mietek Pemper arbeitete[4], gab den Befehl von Julian Scherner bekannt: Alle Bewohner von Ghetto A sollten sich innerhalb von 4 Stunden für die „Übersiedlung“ ins neue Lager Plaszow bereit halten. Tadeusz Pankiewicz, der im Ghetto eine Apotheke betrieb beschrieb Göth wie folgt: „Er ist ein großer, gut aussehender Mann mit einem mächtigen Körper auf dünnen Beinen, einem gut proportionierten Kopf und blauen Augen. Er trägt einen schwarzen Ledermantel. In einer Hand trägt er eine Reitpeitsche, neben ihm sind seine beiden Hunde.“[5]

Zwei jüdische Kinder im Krakauer Ghetto
Zwei jüdische Kinder im Krakauer Ghetto

Mütter verlieren ihre Kinder oder das Leben

Estera Schwimmer, eine 36-jährige Jüdin aus Sosnowiec, die bei Julius Madritsch arbeitet, wird Zeugin des Blutrausches: „Sie steht in einer Fünferreihe, bereit zum Abmarsch ins Lager nach Plaszow, an der Hand hält sie das zweieinhalbjährige Kind ihrer Schwester, die bereits 1942 ermordet worden ist. Plötzlich taucht Göth vor ihr auf, entreißt ihr das Kind und schmettert es auf den Boden. Estera beginnt zu schreien und will sich um das Kind kümmern, doch Göth tritt sie zurück in die Reihe, die in Richtung Plaszow losmarschieren muss.........Immer wieder reißt er Müttern die Kinder aus den Händen, schlägt ihnen mit der Reitpeitsche ins Gesicht. Als er der Frau von Samuel Stöger das Kind wegnehmen will und sie sich weigert, muss sie mit dem Kind aus der Kolonne treten und wird von Göth zusammen geschlagen, die Kolonne marschiert inzwischen weiter. Samuel Stöger sieht seine Frau und sein Kind nie wieder.“[6]

Vollwaise setzt sich im Überlebenskampf durch

Leon Bittersfeld, der an diesem 13. März 1943 seinen 15. Geburtstag begeht, steht ebenfalls in einer Fünferreihe. Der schmächtige Junge ist Vollwaise; sein Vater Izaak, ein Krakauer Textilhändler, war beruflich gerade in Berlin, als der Krieg ausbrach. Die Nazis verhaften ihn und brachten ihn nach Dachau, wo er ermordet wurde. Seine Mutter Roza starb 1942 an einer unheilbaren Krankheit, sein älterer Bruder Julek geriet als Soldat der polnischen Armee in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Um größer zu erscheinen, hat sich Leon, der es trotz seiner Jugend in der Kunst des Überlebens schon weit gebracht hat, eine List ausgedacht: Er steht auf einem Stück Holz, das vom langen Mantel, den er trägt, verdeckt wird. Irgendwie scheint Göth die „hochgewachsene“ Gestalt mit dem Milchgesicht jedoch verdächtig. Er kommt daher auf Leon zu und fragt ihn nach dem Alter. Ohne zu zögern antwortet dieser: „18!“, wobei er sich bemüht, seiner Stimme einen tiefen, männlichen Klang zu geben. „Dein Beruf?“, fragt Göth – ‚Blechschmied’!’ sagt Leon und Göth ist zufrieden: Facharbeiter wie den jungen Mann wird er in Plaszow gut gebrauchen können.“[7]

Getötete Gefangene in Plaszow
Getötete Gefangene in Plaszow
Krankenhaus im Ghetto, www.spiegel.de
Krankenhaus im Ghetto, www.spiegel.de

Leichentransporte ins Lager

Franz Josef Müller beobachtet vom Eingang zum Julag I aus das Eintreffen des Zuges:

Endlos war die Marschkolonne. Mütter weinten und drückten noch zum letzten Male ihr Kind an die Brust. Manche waren halb bekleidet, andere im Schlafanzug. Den Schluss bildete ein unvergessliches Bild in mir. (sic!) Erst waren es zwei Pferdefuhrwerke, großen Pritschenwagen mit Gummirädern. Voll mit Leichen. Dahinter fuhren noch einige kleinere Kastenfuhrwerke, ebenfalls mit Leichen gefüllt. Das Blut lief von den Wägen und tagelang führte eine Blutschicht (sic!) auf der Straße vom Ghetto zum KZ. Den Schluss des Zuges machte der Tyrann in seinem Auto: Amon Göth.“

Die Auflösung des Ghetto B: „Aussiedlungsaktion“ Selektion arbeitsfähiger Männer

Auch im Lager B erhielten die Menschen Anweisung, sich bereit zu halten. Göth selektiert am Zgodyplatz 150 ältere Männer für die Arbeit in Plaszow. Obersturmbannführer Haase ist gegen diese Zahl und befiehlt, 75 der ausgewählten Männer sofort zu erschießen. Die überlebenden 75 müssen den Getöteten die Kleider ausziehen und sie auf die Kastenwägen für den Transport nach Plaszow laden.

Tötungsaktion im Krankenhaus – Bilanz der Liquidierung

Albert Hujer leitet die Aktion, bei der zahlreiche Patienten im jüdischen Hauptkrankenhaus in der Jozefinskastrasse in den Betten getötet werden. Menschen werden aus den Fenstern im 3. Stock in den Tod gestürzt, einige Ärzte zusammen mit den Kranken erschossen. Die Häuser werden durchkämmt, wer gefunden wird, auf der Stelle getötet oder zum Zgodyplatz gebracht und dort ermordet. Die Opferbilanz der Ghetto-„Liquidierung““: Etwa 1000 Menschen werden nur an diesen zwei Tagen ermordet, 4000 deportiert, die Hälfte davon in das Vernichtungslager Auschwitz.

Dr. Leon Gross, Quelle: Yad Vashem
Dr. Leon Gross, Quelle: Yad Vashem

Göths jüdischer Hausarzt Dr. Leon Gross

Es ist streng verboten, dass jüdische Ärzte „arische“ Patienten behandeln. Aber Göth fasst Vertrauen zu ihm und überträgt ihm die medizinische Betreuung der deutschen und ukrainischen SS-Wachmannschaften. Er selbst findet nichts dabei, von Gross berührt oder untersucht zu werden – wenn es um seine eigene kostbare Gesundheit geht, spielt der Rassenwahn plötzlich keine so große Rolle mehr. Gross führt Schutzimpfungen an ihm durch und darf Göths Diabetes behandeln. Dafür wird Gross mit Privilegien ausgestattet: Er darf die Uniform eines OD-Mannes tragen und sich frei im Lager bewegen. Nach Aussagen von Jehuda L. Stein entpuppt sich Gross bald als Kollaborateur der schlimmsten Sorte. Er schikaniert seine Ärztekollegen, bereichert sich an den Patienten der „Lagerprominenz“ und arbeitet Göth allzu bereitwillig in die Hände. Im Sommer 1945 wird Dr. Leon Gross von den polnischen Polizeibehörden verhaftet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Einzelnachweise

  1. J. Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Klagenfurt-Graz 2008; S. 86f
  2. J. Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien, Wien-Klagenfurt-Graz 2008; S. 89
  3. Fabian von Schlabrendorff, Ordonnanzoffizier Henning von Tresckows hatte zwei als Kognacflaschen getarnte Bomben ins Flugzeug des „Führers“ geschmuggelt, die wegen der Kälte im Frachtraum nicht explodierten.
  4. Mietek Pemper, Der Rettende Weg; Hamburg 2005, S.27, 50
  5. J. Sachslehner, a.a.O., S. 93
  6. J. Sachslehner, a.a.O., S. 93
  7. J. Sachslehner, a.a.O., S. 94
Persönliche Werkzeuge