Kapitel 6 - Eine Überraschung beim Prozess gegen Gerhard Maurer

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rechts: Gerhard Maurer
rechts: Gerhard Maurer

„Ein Zeuge soll keine eigenen Schlussfolgerungen ziehen. Er soll nur sagen, was er gesehen oder erfahren hat. An diese Maxime habe ich mich immer gehalten“

Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Schindlers Liste, Die Wahre Geschichte, S137

Inhaltsverzeichnis

Vom Lager zum KZ

Eingang des Lagers in Plaszow
Eingang des Lagers in Plaszow

Die Ende Oktober 1943 von Oswald Pohl getroffene Entscheidung, das Lager Krakau-Plaszów in ein eigenständiges KZ umzuwandeln, wurde am 10. Januar 1944 offiziell vollzogen. Richard Glücks, Chef der Amtsgruppe D der WVHA, sorgte für die Umsetzung. Transmissionsriemen für die gesamten Entscheidungen und Dienstanweisungen aus Oranienburg war Gerhard Maurer. Er leitete den Arbeitseinsatz aller Häftlinge in allen zwanzig Konzentrationslagern im deutschen Herrschaftsbereich. 1907 in Halle geboren, war er bereits 1930 in die NSDAP, 1931 in die SS eingetreten.

Mietek als Hauptzeuge

Mietek Pemper
Mietek Pemper

Mietek Pemper wurde zum Hauptzeugen der Anklage im Kriegverbrecherprozess gegen Maurer, der 1951 in Warschau stattfand. Von seinem Oranienburger Dienstort aus hatte der SS-Führer mit großem Engagement und sehr effizient die Judenverfolgung betrieben. Maurer gab zu, jedes KZ persönlich inspiziert zu haben. Am 23.Februar 1950 gab Mietek Pemper folgende eidesstattliche Erklärung ab:

„Meine Informanten, die SS-Offiziere in Plaszow, haben Maurer oft als eine ganz besonders aktive Persönlichkeit bezeichnet. Ein Beweis dafür war die Tatsache, dass eben er der Stellvertreter von Glücks war und i.V., also in Vertretung, unterschreiben durfte und nicht i.A., im Auftrag, obwohl die Vertretung normalerweise der Chef des Amtes DI hätte haben sollen. Die SS-Offiziere sagten manchmal ironisch, dass es eigentlich nur eine Tätigkeit innerhalb der Amtsgruppe D gebe, die Maurer nicht allein ausführen könne und für die die Unterschrift von Richard Glücks notwendig sei, und das sei die Unterzeichnung der Langstrecken-Kfz-Fahrgenehmigungen, weil diese die Unterschrift eines Generals tragen mussten.“ [1]

Heinrich Himmler (rechts); Quelle: Sachslehner, S. 49
Heinrich Himmler (rechts); Quelle: Sachslehner, S. 49

Maurer hatte eine herausragende Rolle beim organisatorischen Ablauf der Judenverfolgung und bei der Verwaltung der KZ, was bisher in der historischen Literatur noch wenig Berücksichtigung fand.. Am 18. November übertrug General Pohl SS-Obersturmbannführer Maurer die dauernde Vertretung von General Richard Glücks, dem Amtsgruppenchef D. Richard Glücks überließ nach und nach fast alle wichtigen Angelegenheiten Maurer, nur nach außen hin galt Richard Glücks noch als der Inspekteur.

Auf Befehl des Reichsführers der SS Heinrich Himmler wurde zu diesem Zeitpunkt nur noch auf Rüstungseinsatz der Häftlinge geschaut.

Aussage eines Zeugen gegen Oswald Pohl; Quelle: USHMM
Aussage eines Zeugen gegen Oswald Pohl; Quelle: USHMM

Nach dem Krieg gelang es Oswald Pohl und Gerhard Maurer mit falschen Papieren und als Hilfsarbeiter getarnt unterzutauchen. Im Mai 1946 wurde Pohl gefunden und der Justiz der Alliierten übergeben. Im November 1947 verurteilte ihn das Gericht im sog. WVHAProzess in Nürnberg wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zum Tode. 1951 wurde er hingerichtet. Gerhard Maurer wurde von den Amerikanern nach Polen ausgeliefert. Im Gerichtsverfahren gegen ihn 1951 in Warschau schilderte Mietek Pemper, wie bereits im Prozess gegen Amon Göth, die Aktionen gegen die Ungarischen Juden.

Judenverfolgung in Ungarn

Im März 1944 marschierte die deutsche Wehrmacht in Ungarn ein und besetzte das Land ihrer ehemaligen Verbündeten. Sie übten solange Druck auf den Ungarischen Regenten Miklos Horthy aus, bis er schließlich einige hunderttausend Juden dem „Kommando Eichmann“ übergab - alte Leute und Kinder wurden sofort nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet.

Gesundheitsappell am 7.Mai 1944

Amon Göth, während polnischer Haft 1945
Amon Göth, während polnischer Haft 1945

Nach einem Briefwechsel zwischen Göth und Maurer, in dem es darum ging, wie viele Ungarische Juden das Konzentrationslager Plaszów vorübergehend (d.h. bis zur Fertigstellung von Barackenlagern mit Einzäunung in den Rüstungsbetrieben) aufnehmen konnte, antwortete Göth, dass er 8.000 Juden aufnehmen könne, aber nur, wenn eine Doppelbelegung der Pritschen erlaubt sei. Maurer lehnte diesen Vorschlag Göths wegen der Seuchengefahr ab, er könne dies wegen der strategischen Bedeutung Krakaus als Verkehrsknotenpunkt und wegen der gesundheitlichen Gefährdung der ca. 600 SS- und Polizeiangehörigen nicht gestatten.

Neuaufnahme arbeitsfähiger Juden – Arbeitsunfähige kommen ins Vernichtungslager

Göth ließ den Vorgang nicht auf sich beruhen. In einem Fernschreiben an Maurer senkte er die Zahl der aufzunehmenden Häftlinge auf 6000 und verknüpfte dies mit der Bedingung, die nicht voll arbeitsfähigen Häftlinge seines Lagers zur „Sonderbehandlung“ nach Auschwitz schicken zu dürfen. Umgehend erfolgte daraufhin Maurers Zustimmung per Telex. Der Kommandeur in Auschwitz bekomme die Anweisung, den Transport aus dem KL Plaszów entgegen zu nehmen. Daraufhin erfolgte am 7. Mai 1944 ein sogenannter Gesundheitsappell[2] unter dem Motto „Entsprechende Arbeit für Jeden“ im KL Plaszów mit dem Ziel, die arbeitsfähigen Juden von den nicht arbeitsfähigen Juden zu selektieren. Mietek Pemper wurde auf eigene Bitte von Göth persönlich vom Appell freigestellt, konnte aber infolge seines Argwohns gegen diese Maßnahme seine Freunde vorwarnen. Am 14. Mai wurden die nicht arbeitsfähigen Juden nach Auschwitz transportiert.

Mietek Pempers Ausweis mit Bild
Mietek Pempers Ausweis mit Bild

Zeugenaussage gegen Göth

Amon Göth sagte im Prozess aus, er könne sich zwar an den Transport erinnern, es sei ihm aber nicht bewusst gewesen, dass die Häftlinge getötet werden sollten. Mietek Pemper hingegen erklärte:

Haupttor des Vernichtungslagers Auschwitz
Haupttor des Vernichtungslagers Auschwitz

„Für uns im Lager ....... war es im Grunde eindeutig , dass diese Menschen in den Tod geschickt wurden. Der Transport vom 14. Mai bestand vor allem aus kleinen Kindern und ganz alten Menschen. Schließlich wurden ihm noch Kranke aus dem Krankenrevier hinzugefügt. Es war für uns klar, dass diese Menschen in Auschwitz in den Tod gingen....... Es wurden etwa 1400 Menschen nach Oswiecim geschickt, darunter 286 Kinder. Göth sandte ein Telegramm nach Oswiecim, das die genauen Zahlen der Kinder, Kranken und Alten enthielt. Ich führte diese Korrespondenzen allerdings nicht, sondern sah nur später einige der Fernschreiben. Die ganze Aktion wurde sehr geheim gehandhabt.“ [3]

Nachdem kurz nach dem Transport drei junge Männer bei einem Fluchtversuch bei einem Außenkommando ums Leben kamen, beabsichtigte Göth, alle Häftlinge in den Außenkommandos „zur Verhinderung von Fluchtversuchen ... mit gestreiften Häftlingsanzügen“ auszustatten und bat in einem Fernschreiben nach Auschwitz darum, man möge „die Häftlingskleidung des Sonderbehandelten des Transportes vom 14. Mai zurückschicken“. Damit war der Beweis erbracht, dass Göth die Bedeutung des Begriffs „Sonderbehandlung“ kannte. Göth war mit seinem Brief an Maurer vorgeprescht und hatte mit seiner Eigeninitiative die Vernichtung der nicht arbeitsfähigen Juden beschleunigt.[4]

Ausweis Mietek Pempers von der Handelsakademie Krakau aus dem Jahr 1949
Ausweis Mietek Pempers von der Handelsakademie Krakau aus dem Jahr 1949

Prozess gegen Maurer

Former SS Colonel Gerhard Maurer testifies for the defense at the trial of former camp personnel and prisoners from Dora-Mittelbau. To the left is Emily Polyn-Cobb, an interpreter; Quelle: USHMM
Former SS Colonel Gerhard Maurer testifies for the defense at the trial of former camp personnel and prisoners from Dora-Mittelbau. To the left is Emily Polyn-Cobb, an interpreter; Quelle: USHMM

Wie konnte ein Häftling solche detaillierten Kenntnisse der Vorgänge im Lager erhalten? Maurer erklärte während des Prozesses gegen ihn kategorisch: „Der Zeuge (i.e. Mietek Pemper) kann das, was er hier erzählt, nicht selbst erlebt oder gelesen haben.“ Er, Maurer, habe persönlich alle zwanzig KL inspiziert, und in keinem von ihnen habe es einen jüdischen Häftling als Stenograph eines Lagerkommandanten gegeben. In einem KL sei so etwas undenkbar gewesen. Aber bereits bei der eidesstattlichen Erklärung vom 23.Februar 1950 beim Untersuchungsverfahren gegen Maurer hatte Pemper über seine Arbeit bei Göth zu Protokoll gegeben:

„Von März 1943 bis Oktober 1944 war ich als Gefangener des Lagers in Plaszów zusammen mit andern Häftlingen zu Bürotätigkeiten eingeteilt und arbeitete als Kanzleikraft und Stenograph in der Lagerkommandantur. Im Rahmen meiner Tätigkeit hatte ich Einblick in Akten und Korrespondenz des Lagers und außerdem die Möglichkeit, die eingehenden und abgeschickten Geheimschreiben zu lesen.“ [5]

Rechtfertigung Gerhard Maurer im Prozess in Krakau 1951 Teil 1 (pdf)

Rechtfertigung Gerhard Maurer 18.05.51 teil 2 (pdf)

Aussage Hans Nathusius 18.09.47 im Maurer Prozess (pdf)

Aussage Oswald Pohl (pdf)

Rede Mietek Pemper in Irsee 6-12-1996 (pdf)

Unzweifelhafte Belege Pempers

Mietek Pemper in den 50-er Jahren
Mietek Pemper in den 50-er Jahren

Mietek Pemper konnten neben seinen eidesstattlichen Aussagen seine Glaubwürdigkeit vor Gericht durch zahlreiche Details unter Beweis stellen, u.a. durch sein Wissen über eine Trauerkarte, die Maurer im Sommer 1944 an alle KZ- Kommandanten gesandt hatte, um ihnen mitzuteilen, dass seine Frau und seiner drei Kinder bei einem feindlichen Fliegerangriff ums Leben gekommen seien. Dies veranlasste Maurer, die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht mehr vor Gericht anzufechten. Laut begann er darauf hin vor Gericht über Göth zu schimpfen:

„Wie konnte Göth nur so eigenmächtig handeln! Wie konnte er sich dermaßen über alle Vorschriften hinwegsetzen?“

Juden im Krakauer Ghetto; Quelle: USHMM
Juden im Krakauer Ghetto; Quelle: USHMM

Mietek Pemper konnte das Gericht davon überzeugen, dass das Konzentrationslager Plaszów eben ganz anders als Konzentrationslager im Deutschen Reich Reich gewesen sei. Im Falle von Plaszów habe es sich zunächst um die Fortsetzung des Krakauer Ghettos gehandelt, Mietek Pemper sei gewissermaßen mit dem „Inventar“ der Ghettoverwaltung übernommen wurde, nur so lasse sich seine besondere Rolle erklären.

Organisationsstruktur der Amtsgruppe D

Mietek Pemper konnte das Gericht über die Organisationsstruktur und Zuständigkeiten der Amtsgruppe D (Amtsgruppe des Wirtschafts-Verwaltungs-Hauptamtes ) aufklären. „Solche Zeugen wünsche ich mir in jedem Prozess“ bilanzierte der Gerichtsvorsitzende und konzedierte, dass Mietek über einzigartige und außergewöhnliche Informationen verfügte, die für die Aufklärung der NS-Verbrechen von hohem Wert gewesen seien.

Pemper verstand die Worte des Gerichtsvorsitzenden als großes Kompliment, das unterstrich, was ihm stets wichtig gewesen war:

„Ein Zeuge soll keine eigenen Schussfolgerungen ziehen. Er soll nur sagen, was er gesehen oder erfahren hat. An diese Maxime habe ich mich immer gehalten.[6]


Aussage Oswald Pohl (pdf)

Einzelnachweise

  1. Aussage beim Untersuchungsverfahren gegen Gerhard Maurer vom 23. Februar 1950 in Krakau vor der Hauptkommission zur Untersuchung der Hitlerschen Verbrechen in Polen. Richter: Dr. Henryk Gawacki, Protokollant: Stanislaw Malec. Das Original in polnischer Sprache befindet sich im Instytut Pamieci Narodowej in Warschau unter der Signatur SWIKr 11, sygn. Sadowa K291/51. Als Gerhard Maurer im März 1942 zum Leiter des Amtes D II ernannt wurde, erfolgte auch seine Beförderung zum SS-Sturmbannführer zum SS-Obersturmbannführer, und etwas später, am 20. April 1944, wurde er zum SS-Standartenführer befördert, was dem Rang eines Obersten entsprach. Dieses Dokument wird von nun an zitiert als: Aussage vom 23. Februar 1950 beim Untersuchungsverfahren gegen Gerhard Maurer.
  2. Am 14. Mai 1944 wurde ein sogenannter "Gesundheitsappell" durchgeführt, unter der Aufsicht von Göth und dem SS-Lagerarzt Blancke. Das Ergebnis war die Deportation von ca. 1.400 als arbeitsunfähig eingestuften Gefangenen nach Auschwitz, wo sie am 24. Mai ankamen und sofort in Birkenau vergast wurden. Diese Aktion wurde von Göth befohlen um Platz zu schaffen für einen Transport von ungarischen Juden.
  3. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005, S. 135f
  4. ebenda, S. 136
  5. Pemper, a.a.O.,S. 137
  6. ebenda
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