Kapitel 4 - Im inneren Kreis der Mörder

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Ein Wachmann hetzt seine Hunde auf einem jüdischen Zwangsarbeiter
Ein Wachmann hetzt seine Hunde auf einem jüdischen Zwangsarbeiter

Nach dem tragischen Tod seines Sohnes Peter , der mit 7 Monaten an den Folgen eines Diphterie-Infektion stirbt, meldet sich Göth bei der Wiener Waffen-SS zum Dienst; sein erster Dienstort ist Teschen an der polnisch-tschechischen Grenze, wo seine Aufgabe laut eigener Aussage die „Registrierung“ von Pferden und anderen Tieren gewesen sei.

„Hier (d.h. bei der Mitwirkung der „Aktion Reinhard“) erwarb Göth die Fähigkeiten, die ihn zum Experten des gewalttätigen Zusammentreibens in den Ghettos und der Vorbereitung für den Abtransport machten“

David M. Crowe, Oskar Schindler, Berlin 2005, S.264


Inhaltsverzeichnis

Prädestiniert für eine SS-Karriere

Als Gefolgsmann Himmlers in der schwarzen Uniform mit Totenkopf ist er dann mit der Umsiedlung der „Volksdeutschen“ bei der Volksdeutschen Mittelstelle in Kattowitz unter dem Regimentvon SS-Obergruppenführer Werner Lorenz beschäftigt.
SS-Obergruppenführer Werner Lorenz
SS-Obergruppenführer Werner Lorenz
Mony bringt die besten Voraussetzungen für eine steile, erfolgreiche Karriere in der SS mit: Er verkörpert den Typus des jungen, intelligenten, sportlichen "Machers", er ist ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, aggressiv und skrupellos, wenn es um die Erreichung eines Ziels geht. Er ist ein hervorragender Organisator, bereit, die alte Welt zu zerstören, um eine neue zu erschaffen. Er fühlt sich als ‚Revolutionär und Auserwählter vor der Geschichte, dem es beschieden ist, mitzuwirken an der Errichtung dieser Ordnung. Und er ist bereit die alten Werte seiner katholischen Kindheit dafür hinzuwerfen. Er ist bereit zu töten. Nicht, weil er die Juden, Polen oder ‚Zigeuner’ so abgrundtief hasst, sondern weil er das Töten in der Welt der SS-Männerelite an sich zu einem neuen Wert geworden ist: Wer nicht hart genug ist, um zu töten, kann im Kreis der Kameraden keine Führungsaufgabe übernehmen. Mony zeigt es allen: Auch ein Wiener Gentleman hat diese Härte, ja, er übertrumpft sie alle![1]

Obwohl er von der Schwangerschaft seiner Frau weiß, besucht er sie nicht einmal bei einem kurzen Wien-Aufenthalt. Als am 30. März seine Tochter geboren wird, will er das aus Enttäuschung nicht wahrhaben, aber als er sie schließlich sieht, schließt er seine Tochter Ingeborg ins Herz und bringt ein überlebensgroßes Bild mit nach Plaszow.

Franz Grün

Franz Grün,circa 1939
Franz Grün,circa 1939

In Kattowitz ist sein Arbeitsbereich die Eingliederung der Russlanddeutschen. Dort trifft er seinen alten Bekannten und Sportringer Franz Grün wieder, der ihn mit einem Schulterwurf spaßeshalber zu Boden wirft. Bald wird Franz Grün ein enger Mitarbeiter von Göth. Franz Grün wurde am 5.10.1902 in Wien geboren, arbeitet bis 1933 als Bäckergehilfe und bis 1937 ständig arbeitslos. 1929/30 ist er Mitglied des Steirischen Heimatschutzes Wien, am 24. März 1931 tritt er der Ortsgruppe Wien-Mariahilf der NSDAP und im August 1931 dem SS-Sturm bei. Bis zum Verbot der NSDAP beschäftigt er sich „legal in der Propaganda“ ,danach „im Rahmen der Schutzstaffel mit Werben von Mitgliedern und überhaupt im Sinne der NSDAP.Seit 1932 ist er mit einer Deutschen verheiratet. Für das Ehepaar Grün und den 1933 geborenen Sohn Franz wird die NSDAP zur einzigen Hoffnung. Sie wohnen bei den Eltern, da sie keine Wohnung finden, Franz ist arbeitslos, seine Gesinnung ist der Polizei bekannt, immer wieder finden Hausdurchsuchungen statt. Anna Maria Grün schreibt direkt an Adolf Hitler, in dem sie den Führer um die Erlaubnis zur Übersiedelung nach Pirmasens bittet. Noch im Februar 1937 wird die Einreisegenehmigung ausgesprochen, das NSDAP-Flüchtlingswerk nimmt sich großzügig der Familie an. Grün erhält ein Einrichtungsdarlehen von 600 [1] Reichsmark, anlässlich der Geburt seiner Tochter Anna Beatrix erlässt man ihm die Restschuld. Franz Grün kommt ins SS-Lager Ranis. Dort gibt es auch die erste Beurteilung Grüns durch den Lagerleiter. Franz Grün sei „zwar im Wesen etwas schwerfällig und nicht mit großen Geistesgaben gesegnet, dafür aber nicht minder zuverlässig und willig. Benehmen und Führung einwandfrei.

Nach dem Anschluss kehrt die Familie Grün nach Wien zurück. Die SS übernimmt wieder die Speditionskosten. Sein Beruf ist jetzt SS-Wachdienst. Im Lager Plaszow erweist sich Grün als skrupelloser Killer seines Meisters Amon Leopold Göth.

Die Dienstleistungszeugnisse Amon Göths

Im Juli 1941 wird Göth ein „Dienstleistungszeugnis“ ausgestellt, das besser hätte nicht sein können. Der SS-Sturmbannführer Otto Winter, der „Führer“ der 11. SS-Standarte urteilte:

Der genannte ist charakterlich und weltanschaulich gefestigt, frei von jeder konfessionellen Bindung. In der Verbotszeit war Göth als Adjutant der 52. SS-Standarte tätig und hat sich dort große Verdienste erworben. Göth ist ein vorbildlicher SS-Kamerad und steht seit 1925 in der Bewegung und zwar von 1925-1926 in der HJ und 1929 bis 1930 in der Sturmabteilung (SA). Seit 1930 in der Schutzstaffel.“[2]

In einem „Personalbericht vom 10. Oktober 1941, unterzeichnet von Ernst Kaltenbrunner, damals noch „Führer des SS-Oberabschnittes Donau“ wird ihm attestiert, dass er ein „aufrechter Nationalsozialist & opferfreudiger &einsatzbereiter SS-Mann“ sei, zum „SS-Führer“ geeignet. Ein SS-Mann aus dem Bilderbuch, bei dem das „rassische Gesamtbild“ stimmt: „fälisch-ostisch“ steht da, gepaart mit „mutiger, bestimmter Haltung“ und „umfassendem“ Wissen; es gebe keine besonderen Mängel oder Schwächen. Daher wird Göth am 9. November 1941 zum SS-Untersturmführer in der 11. SS-Standarte befördert.

Planung der „Aktion Reinhardt

Im Frühjahr 1942 trifft Göth in Lublin ein. Dort wohnt und arbeitet er in der Julius-Schreck-Kaserne unter SS-Brigadeführer Odilo Globocnik . Die Kaserne dient als Hauptquartier für die Drahtzieher der Aktion Reinhardt. Hier wird im Kreise der SS-Offiziere der Massenmord an den Juden im Generalgouvernement minutiös geplant und mit gnadenloser Härte „umgesetzt“.
Julius-Schreck-Kaserne
Julius-Schreck-Kaserne

Göths erste Aufgabe ist allerdings der Ausbau des Arbeitslagers Budzyn, neben welchem man eine Flugzeugfabrik der Heinkel-Werke baut. Im Oktober 1942 treffen nach und nach die jüdischen Arbeitskräfte aus dem Ghetto in Konskowola ein. Der Flugzeugpionier Ernst Heinkel weiß die Vorteile des Systems der Zwangsarbeiterlager wohl zu schätzen, wie aus einem Brief an Generalluftzeugmeister Erhard Milch ersichtlich wird: „Neue Arbeitskräfte sind im Generalgouvernement leichter zu beschaffen als an jedem anderen Ort im Altreich. Außer Polen können vor allem gute Arbeitskräfte aus der reichlich vorhandenen jüdischen Bevölkerung gewonnen werden.“[3]

Selektion im Ghetto Konskowola

Im Ghetto Konskowola wird trotz einer Ruhrepidemie „ausselektiert“, d.h. Schwache und Kranke werden sofort erschossen. Frauen, Kinder und ältere Männer werden im nahen Wald ermordet. Wer auf dem Weg zum Lager Budzyn schwächelt, wird ebenfalls sofort erschossen. Personen ohne gültige und gestempelte Arbeitskarte werden in Güterwaggons verladen und in die Vernichtungslager transportiert.

Gemälde des Vernichtungslager Belzec
Gemälde des Vernichtungslager Belzec

Amon Göth„bewährt“ sich und wittert Beute

Im Distrikt Lublin begannen die Männer Odilo Globocniks bereits in der Nacht vom 16. auf den 17. März 1942 mit der Räumung des kleinen Ghettos:

Es sind blutige Menschenjagden, die nach erprobtem Schema ablaufen: Das Ghetto wird von SS, Schutzpolizei und ukrainischen, litauischen oder lettischen Hilfseinheiten umstellt, dann durchkämmen kleine Einsatztrupps die Häuser und treiben die Bewohner auf den Sammelplatz, alte und kranke Menschen sowie Kleinkinder werden meist sofort erschossen. Wer bei der folgenden „Selektion“ auf dem Sammelplatz eine gültige, gestempelte Arbeitskarte vorweisen kann, darf meist wieder gehen, die anderen werden in Güterwagons verladen und in die Vernichtungslager transportiert. Mittendrin Amon Göth, dem bald leitende Funktionen übertragen werden. So organisiert er die Selektion im Ghetto Belzyce ....... an die 700 Juden sollen nach Majdanek deportiert werden.“[4]
Krematorium des KZs Majdanek
Krematorium des KZs Majdanek
Wer es sich leisten kann, hat die Möglichkeit, Göth und andere SS-Männer mit Pelzen, Fellen und Juwelen zu bestechen und so sein Leben verübergehend zu retten. Die Aktion Belzyce begründet Göths Ruf als korrupter SS-Offizier. Er erkennt, welche „Geschäftsmöglichkeiten“ der Judenmord in sich birgt. Noch 1943 wurde wegen Unterschlagung gegen Göth ermittelt.
Selektion von Juden aus versch.Ghettos
Selektion von Juden aus versch.Ghettos

Bekanntschaft mit Reinhold Feix

In dieser Zeit trifft Göth einen der grausamsten SS-Mörder, SS-Oberscharführer Reinhold Feix[5], der von Dezember 1942 bis August 1943 Kommandant des Zwangsarbeiterlagers Budzyn ist. Vieles deutet darauf hin, dass Göth in der Umgebung von Feix auch das Töten „gelernt“ hat. Feix ist einer der grausamsten SS-Mörder, die im „Gangster-Gau“ ihr Unwesen treiben.

„Geheime Baumaßnahmen“ des Reiches

Odilo Globocnik stellt Göth im Frühsommer 1942 eine Vollmacht zum Einkauf von Materialien in Ostrau aus. Pemper äußerte den Verdacht, dass es sich hier nur im „Materialien“ zum Bau der Krematorien in den Vernichtungslagern in Polen handeln konnte. Im Juni und Juli weist Odilo Globocnik die Kommandanten von Belzec, Sobibor und Treblinka an, Göth den Zutritt auf das Lagergelände zu erlauben.Mietek Pemper vermutet, dass Göth mit der Kontrolle bzw. Erfassung der Wertgegenstände der Ermordeten betraut wurde.

Konflikt mit Hermann Höfle

Hier kommt er mit Globocniks Stabschef SS-Sturmbannführer Hermann Höfle in Konflikt, der die Deportationen aus Lublin, Mielec, Rzeszow, Bialystock und Warschau in die Vernichtungslager koordiniert. SS-Sturmbannführer Hermann Höfle leitet eine Art Lagerhaus für die bewegliche Habe der Juden. In einer Zentralkartei werden von Hermann Höfle Kleidungsstücke, Schuhe und Ähnliches registriert, für die Erfassung von Edelsteinen und Devisen ist SS-Sturmbannführer Georg Wippern zuständig. Beide wussten um die Bestechlichkeit Göths und versuchen, ihn loswerden.

Einzelnachweise

  1. Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008; S. 42
  2. J. Sachslehner, a.a.O., S. 47
  3. Ernst Heinkel an Erhard Milch, zitiert nach: J. Sachslehner, a.a.O., S. 48
  4. J. Sachslehner, a.a.O., S. 51
  5. Das Bild, das hier einige Zeit zu finden war ist möglicherweise eine Fälschung.
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