Kapitel 20 - Geburtstag und Feiertage

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Göth spricht zu seinen SS-Männern
Göth spricht zu seinen SS-Männern

Inhaltsverzeichnis

Göth verschenkt zwei Menschenleben

An der Feier zu seinem 35. Geburtstag am 11.Dezember 1943 lässt Göth die jüdische Pianistin Natalia Hubler spielen. Zusammen mit ihrer Schwester Helena war sie beim Fluchtversuch mit „arischen Papieren“ beim Grenzübergang in die Slowakei gefasst worden und in die Gefängniszellen von Plaszow eingeliefert worden, was normalerweise den sicheren Tod bedeutete.Da Göth von Natalia Hublers Klavierspiel sichtlich beeindruckt ist, lässt er sie und ihre Schwester in ein Arbeitslager verlegen. Göth verschenkt zwei Menschenleben. „Du bist am 9. Dezember neu geboren worden“, lautet der Kommentar der Lagergenossinnen. Die Schwestern überleben den Naziterror. Natalia kann ihre Karriere als Pianistin fortsetzen.

„Mensch, friss den Hund!“

Goeths Hund Ralph
Goeths Hund Ralph

Ermordung aller OD-Männer und deren Familien

OD- Männer, darunter Symche Spira
OD- Männer, darunter Symche Spira

Indessen wird das verlassene Krakauer Ghetto wieder in den Stadtteil Podgorze integriert , deshalb werden die dort noch lebenden OD-Männer , darunter Symche Spira, ein Spitzel der Gestapo und ihre Familien umgebracht. Mit Lastwagen bringt man alle Mitglieder des OD, deren Angehörigen, auch die Kinder auf die Chujowa Gorka und erschießt sie dort. Die Leichen werden verbrannt, die Gestapo kann keine Zeugen und auch keine Spuren gebrauchen. Symche Spira hatte sich immer der Illusion hingegeben, dass man ihn für seine Dienste ins „Reich“ bringen würde: „Spira wird den Krieg überstehen, er wird leben“! war zu seinem „Markenzeichen geworden.

Besuch vom "Joint"

Ende 1943 gelingt es Schindler und Itzhak Stern, einen Mann von der amerikanischen Organisation " Joint " (American Jewish Joint Distribution Committee) und einen Vertrauten Admiral Canaris unter dem Vorwand, es handle sich bei ihnen um spezielle Leute aus der Rüstungsindustrie, ins Lager Plaszow zu bringen. Bei diesem Besuch entstehen Fotografien, die später zusammen mit einem handschriftlichen Bericht Natan Sterns, des jüngeren Bruders Itzhak Sterns, als "Stern Report" zu einer wichtigen Quelle werden und die damalige Situation im Lager Plaszow beschreiben.

Orgien und Parties

Foto von Amon Göth links mit Freunden auf dem Balkon seiner Villa
Foto von Amon Göth links mit Freunden auf dem Balkon seiner Villa
Schindler mit Nazis in Krakau, 1942
Schindler mit Nazis in Krakau, 1942
Oskar Schindler mit Freunden auf einer Party
Oskar Schindler mit Freunden auf einer Party

An Silvester 1943 findet in Göths Villa eine rauschende Feier statt, deren Ausmaß und Dekadenz in Kontrast zu der drohenden Niederlage der deutschen Truppen in Russland stehen. Als die ausgelassen feiernden Gäste beschließen , draußen einen kleinen Spaziergang zu unternehmen, kommt es zu einer bizarren Begegnung: Ein „Mannschaftszug" bestehend aus Häftlingsfrauen, die gerade ihre 12 Stunden dauernde Nachtschicht ableisten und Gestein transportieren müssen, zieht an der Feiergesellschaft vorbei. Göth erkennt jedoch, wie grotesk die Situation ist, und lässt die Arbeiterinnen zu Bett gehen. Laut Oskar Schindler enden solche Feiern in Göths Haus oft in Orgien, bei denen die Grenzen der Moral manches Mal überschritten und Konventionen gebrochen werden. Helen „Susanna“ Sternlicht berichtet von einem Gelage. Nach ihr sei geläutet worden. Als sie ins Separee gekommen sei, lag Schindler betrunken und nackt mit einer Frau im Bett und Schindler habe versucht, sie an sich zu ziehen. Sie konnte sich nur von den Zudringlichkeiten befreien, indem sie sich an einen Schrank geklammert habe.

Strafe für Erholungspausen

Blick auf einen Teil des KZ Plaszow, Plaszow, Polen, 1944
Blick auf einen Teil des KZ Plaszow, Plaszow, Polen, 1944

Rachel Aronowicz aus Krakau, deren Mutter von Göth aus unersichtlichen Gründen erschossen wurde, muss mit anderen Frauen in der Kälte Lasten schleppen. Sie halten die Strapazen der Arbeit nicht mehr aus und suchen in einem Erdloch für kurze Zeit Zuflucht. „Nur ein einziger Gedanke beherrscht sie: sich hinsetzen und wärmen, endlich rasten, ausruhen. Sie empfinden keine Angst, denn sie haben nichts mehr zu verlieren. Wie in einem Grab kuscheln sie sich so einige Minuten lang in dem dunklen Loch zusammen, als auch schon der OD-Mann der sie bei der Arbeit überwachen soll, vor ihnen auftaucht, die Peitsche in der Hand. Blind um sich schlagend, fluchend und mit den Stiefeln auf sie eintretend, treibt er Rachel und ihre Gefährtinnen wieder zur Arbeit. Blutend spannen sie sich wieder vor die Seile. .......... Und da steht auf einmal, wie ein Engel des Todes, auch Göth mitten auf dem freien Feld und schießt aus seinem Revolver auf den „Mannschaftszug“; einige Frauen stürzen getroffen neben den Schienen zur Erde, ohne aufzublicken und ohne anzuhalten ziehen die anderen ihre Waggons weiter. ..... Die Arbeiterinnen schleppen sich zur Baracke, sinken auf ihre Pritschen, das Brot unter den Fetzen, die sie als Kopfpolster benutzen. Nur wenig später werden sie wieder aus dem Schlaf gerissen – antreten zum Strafappell! Stundenlang heißt es sinnlos in der Kälte stehen, die Füße beginnen anzuschwellen, wer sich hinsetzt, wird von den Kapos gnadenlos verprügelt. Dann endlich dürfen sie wieder in die Baracke, fallen in einen bleiernen Schlaf. ............... Rachel und die anderen Frauen im ‚Mannschaftszug’ sind körperlich und geistig am Ende ihrer Kräfte. Es gibt Augenblicke, ...... in denen sie nicht mehr verstehen, was man zu ihnen sagt; Wörter erreichen sie nicht mehr, gleiten an ihnen ab, sie fassen keine klaren Gedanken mehr; nur der Wunsch, ein Instinkt beherrscht sie: der Hunger. Selbst Todesangst empfinden sie nur mehr, wenn die Mündung der Pistole direkt auf sie gerichtet ist. Sie sind zu Automaten geworden , zu Werkzeugen die aufstehen, arbeiten, im Appellplatz antreten und ‚selektiert’ werden; immer hungrig und den Befehlen der Peiniger gehorchend.“[1]

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Johannes Sachslehner, Der Tod ist ein Meister aus Wien; Wien-Graz-Klagenfurt 2008, S. 283
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