Kapitel 10: Schindler in Deutschland

Aus PemperWiki

Wechseln zu: Navigation, Suche
<- Vorhergehendes Kapitel lesen - Nächstes Kapitel lesen ->
Schindlers Koffer - Broschüre der Stuttgarter Zeitung
München 1949: Oskar Schindler mit von ihm geretteten Krakauer Bürgern
München 1949: Oskar Schindler mit von ihm geretteten Krakauer Bürgern

Inhaltsverzeichnis

Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung

Fabrikgebäude Brünnlitz
Fabrikgebäude Brünnlitz

Die Befreiung von Brünnlitz wurde offiziell am 9 Mai mit der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Sowjetunion verkündet. Den ersten Kontakt zur Außenwelt hatten die Oskar Schindler juden bereits 2 Tage zuvor. Früh morgens kamen Gemeinderatsmitglieder von Brünnlitz vorbei und erkundigten sich, ob es im Lager ansteckende Krankheiten gebe , was man verneinen konnte. Bereits am Nachmittag versorgten die Tschechen das Lager mit Lebensmitteln.

Befreiung durch sowjetische Soldaten

Die förmliche Befreiung folgte tagsdarauf , als mittags ein sowjetischer Soldat ins Lager ritt und die Freiheit der Gefangenen proklamierte. Der Soldat war Jude und hatte mit ihnen jüdisch gesprochen . Viele stürzten sich auf ihn und küssten ihn. Einige der Gefangenen wollten den Kapo Willi, Leipolds Günstling, bestrafen. Andere von ihnen wollten einen Prozess, wieder andere waren für Selbstjustiz. Am Abend wurde er mit einem Draht an einem Rohr in der Fabrik erhängt.

Rückkehr nach Polen und spätere Auswanderung

Oskar Schindler, Abraham Bankier und leitende Angstellte Quelle: Skotnicki, Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews
Oskar Schindler, Abraham Bankier und leitende Angstellte Quelle: Skotnicki, Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews
Itzhak Stern; Quelle: Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews
Itzhak Stern; Quelle: Oscar Schindler in the eyes of the Cracowian Jews

Die Armee verhängte eine 2-wöchige Quarantäne , die aber nicht viel bewirkte, weil viele Juden sofort versuchten, aus dem Lager zu flüchten, um sich nach Krakau durchzuschlagen . Marcel Goldberg machte sich als erster heimlich aus dem Lager. Die meisten Schindlerjuden kehrten in ihre Heimat nach Krakau zurück und versuchten, dort wieder Fuß zu fassen. Abraham Bankier, Itzhak Stern und Mietek Pemper kehrten anfangs nach Krakau zurück, begaben sich aber später doch ins Ausland, weil der Antisemitismus in Polen sofort wieder zunahm.[1] In den Jahren von 1944 – 1947 fielen über 2000 Juden einem Pogrom zum Opfer. Zur schlimmsten Gewalttat kam es im Sommer 1946 in Kielce, als ein Mob ein Heim für Überlebende des Holocaust angriff und 42 Juden getötet und über 100 verletzt wurden. Viele der Überlebenden begriffen, dass sie nicht in Polen bleiben konnten.

Ausreise vieler Juden nach Israel

Mit der Gründung des Staates Israel 1948 machten sich viele auf den Weg dorthin, darunter 300 Schindlerjuden. 1951 lebten nur noch ca. 80.000 Juden in Polen. Lewis Fagen erinnert sich daran, dass es viele Ausschreitungen gegen Juden gab mit vielen Toten und Verletzten, dass man ihre Wohnungen zerstörte und zuletzt die Armee eingreifen musste um die Lage unter Kontrolle zu bekommen .

Suche nach Marcel Goldberg

Wie Francisco Wichter und Bronia Gunz berichteten, lebte Goldberg mit seiner Familie ca 130 km von Buenos Aires entfernt . Er hatte ein Bauunternehmen mit 120 Mitarbeiter gegründet. Bronia Gunz entdeckte ihn zufällig und zog ihren Mann aus dem Laden, der ihn getötet hätte. Aber befreundete Juden informierten die argentinischen Behörden über Goldbergs Verbrechen und sammelten Informationen über ihn, die sie an die Behörden übergaben. Goldberg starb 1975 an einem Herzinfarkt. Wichters ungenannter Freund war bei dem Begräbnis dabei und überrascht darüber, wie viele argentinische Offiziere Abschied von Goldberg nahmen. Er musste Beziehungen zur Militärjunta gehabt haben. Später wurde sein Grab direkt neben dem Holocaust denkmal in einem Vorort von Buenos Aires infolge der Proteste zahlreicher Juden verlegt; es konnte seitdem nicht mehr aufgefunden werden.[2]

Die Flucht von Emilie und Oskar Schindler

Deutsch-Brod 1945
Deutsch-Brod 1945

In Emilies Erinnerungsband „In Oskar Schindlers Schatten[3] verarbeitete sie ihre Eindrücke über ihre Flucht aus Brünnlitz. Ihre Erinnerungen weichen in vielen von Oskars Bericht ab, den er an Fritz Lang schrieb. Sieben jüdische Arbeiter begleiteten die Oskar Schindlers auf ihrem Weg in die amerikanisch besetzte Zone.Schindler war in seinem Horch unterwegs , gefolgt von einem Lastwagen mit Oskar Schindlers Freundin Marta. 250 km westlich von Brünnlitz in Deutsch-Brod konfiszierten Rotarmisten den Horch und sämtliche Wertsachen.

Bayerisch-tschechisches Grenzgebiet
Bayerisch-tschechisches Grenzgebiet

Von Lenora nach Passau

Am 11 Mai setzten sich die Schindlers gemeinsam mit Richard Rechen mit dem Zug in Richtung Deutschland ab, in der Nähe der Grenze verließen sie den Zug und führten ihre Reise zu Fuß weiter. Es war ein Glücksfall, dass sie auf ihrem Fußmarsch in Lenora auf den jüdischen Leutnant Kurt Klein trafen. Er besorgte für die ganze Gruppe einen Passierschein, der es ihnen erlaubte, die amerikanische Zone zu betreten. Ein jüdischer Feldgeistlicher organisierte schließlich den Transport der Schindler mit einem Kleinbus nach Passau, wo sie in ein Lager für „Displaced Persons“ aufgenommen wurden.

Luftaufnahme von Konstanz am Bodensee
Luftaufnahme von Konstanz am Bodensee

Konstanz ( 1945)

Brief Schindlers an Fritz Lang
Brief Schindlers an Fritz Lang

In Passau half ihnen ein amerikanisch-jüdischer Offizier, Plätze für die Zugfahrt nach Konstanz zu bekommen. Die Gruppe war gewachsen und zählte nun 14 Personen. Neun Personen, darunter Emilie und Oskar Schindler wurden auf Schweizer Gebiet vom Zoll aufgegriffen und an die französische Besatzungspolizei ausgeliefert und blieben dort über drei Wochen in Haft. Dank der detaillierten Aussagen der noch bei ihm verbliebenen Schindler juden wurde Oskar Schindler freigesetzt. Oskar und Emilie blieben in Konstanz und verfassten dort auf Anraten eines Rabbis einen „Bericht über Leistung und Aufwendungen zur Rettung von Juden“: den berühmten Finanzbericht. Oskar Schindler war fest entschlossen, sich bei nächster Gelegenheit in die amerikanische Besatzungszone abzusetzen, da er hoffte, von dort aus Kontakte zum Ausland besser herstellen zu können.

Endgültig verlorene Heimat

Edvard Benes; Quelle: Yad Vashem
Edvard Benes; Quelle: Yad Vashem

Mittlerweile war das Sudetenland von tschechischen Truppen besetzt worden und es kam zu Racheakten gegen die Sudetendeutschen. Die neue Regierung unter Edvard Benes erklärte alle Mitglieder in NS-Organisationen und SS, in Konrad Henleins Sudetendeutscher Partei und deren Freiwilligen Schutzdienst zu Verbrechern. Alle diejenigen, die das NS-Regime unterstützt hatten, sollten vor Außerordentlichen Volksgerichtshöfen angeklagt werden. Aufgrund seiner Arbeit für die deutsche Abwehr galt Oskar Schindler als Kriegsverbrecher und verlor damit die tschechisch-slowakische Staatsbürgerschaft. Im Zuge der wilden Vertreibungen mussten bereits zwischen Mai und Juli 1945 800 000 Sudentendeutsche ihre Heimat verlassen, es kam zu Lynchjustiz und Vergewaltigungen. Im Potsdamer Abkommen stimmten die Alliierten der „ordnungsmäßigen Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ von 2,5 Millionen Deutschen aus der Tschechoslowakei zu. 1,75 Millionen Deutsche sollten in die amerikanische Zone, 750 000 in die sowjetische Zone übergesiedelt werden.

Entnazifizierung

Oskar Schindler 1963 in Jerusalem
Oskar Schindler 1963 in Jerusalem

In Bayern musste Oskar Schindler mit einem Entnazifizierungsverfahren rechnen. Alle Personen, die der NSDAP angehört hatten, mussten dieses Verfahren durchlaufen. Es musste der Unterschied zwischen den Parteimitgliedern, die aktiv an der Parteiarbeit teilnahmen und diejenigen, die nach 1937 aus Furcht vor Nachteilen in die Partei eintraten, gemacht werden. Das Ziel der Alliierten war, Nazis aus der Politik und Wirtschaft zu entfernen.

Bericht über die Leistungen und Aufwendungen Schindlers zur Rettung der Juden in der Zeit von 1939-45
Bericht über die Leistungen und Aufwendungen Schindlers zur Rettung der Juden in der Zeit von 1939-45

Das Befreiungsgesetz vom 5. März 1946

Im Frühjahr 1946 übergaben die Alliierten den deutschen Spruchkammern die Verantwortung für die Entnazifizierungsverfahren. Der Länderrat erließ ein neues Entnazifizierungsgesetz, das die Nazis in 5 Kategorien aufteilte: Hauptschuldige, Belastete (Aktivisten), Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete.

Schindlers Belege

Oskar Schindler und Nathan Stern
Oskar Schindler und Nathan Stern

Oskar Schindler musste wegen seiner Arbeit für die Abwehr und als Industrieller mit Nachforschungen und einem Entnazifizierungsverfahren rechnen. Um seine Unschuld beweisen zu können, sammelte er eidesstattliche Erklärungen von Schindler juden. Zum einen hatte er den Brief von Itzhak Stern, Abraham Bankier und anderen prominenten Schindler juden vom 8. Mai 1945, die Erklärungen der drei Schindler juden vom 9. Juni 1945 vor der französischen Militärbehörde und das Memorandum von Hauptmann Monheit an die alliierten Behörden. Am 12.Oktober 1946 schickten 24 Schindler juden, die in einem DP-Lager in Österreich interniert waren, ein Unterstützungsschreiben an Oskar Schindler.

Anmeldung Schindlers bei der polizeilichen Meldebehörde in Regensburg vom 16.12.1946
Anmeldung Schindlers bei der polizeilichen Meldebehörde in Regensburg vom 16.12.1946
Amerikanischer Entnazifizierungsbogen
Amerikanischer Entnazifizierungsbogen

Izak Stern: Oskar Schindler der Mensch, 16 Seiten (pdf)

Erste Arbeitsstelle in München

Alle diese Schreiben trugen dazu bei, dass Oskar Schindler kein ernsthaftes Entnazifizierungsverfahren durchlaufen musste und ihm die bayrische Regierung den Posten als Staatsrat zuwies, den Schindler aber ablehnte. Die Erklärungen der Schindler juden verhalfen ihm, 1947 eine Stelle als Importeur für Metallwaren und Maschinen im Münchner Büro der Jewish Agency for Palestine zu erhalten, welches aber nach 1 Jahr wieder geschlossen wurde.


Oskar Schindler in Regensburg (1945 – 1949)

Die Schindlers lebten ab Herbst 1945 bis 1949 in Regensburg, sie bezogen eine Wohnung in der Nürnberger Straße 25, die offiziell bis zur Auswanderung nach Argentinien ihr erster Wohnsitz blieb. Obwohl sie bald in "kahle und öde Wohnungen in der Nähe der interessanteren Schwarzmärkte in der Münchner Innenstadt" zusammen mit einigen ihrer selbsterklärten "jüdischen Leibwächter" zogen, behielten sie den Regensburger Wohnsitz, um vom nahegelegenen DP-Lager von Joint und UNNRA Lebensmittelspenden beziehen zu können.[4]

Sie hatten es sehr schwer in Regensburg, denn die Einheimischen zeigten den sudetendeutschen Flüchtlingen, dass sie nicht willkommen und „Deutsche zweiter Klasse“ waren. Emilie Schindler berichtet, dass sie "von einer stinkenden Flüssigkeit getroffen" worden seien, die jemand aus dem Fenster gekippt habe. Als die versucht hätten, frisches Brot zu kaufen oder einzutauschen, bekamen sie die Auskunft, das "frische Brot sei für die Deutschen bestimmt." [5] Immerhin scheint sich das Verhältnis der Ehepartner zueinander in Regensburg und München gebessert zu haben, was aber nicht lange anhielt. Emilie wurde nach stechenden Schmerzen im Unterleib im Krankenhaus operiert und erlitt eine Fehlgeburt, die letzte und schlimmste von insgesamt 4 Fehlgeburten. Als sie aus der Narkose erwachte, saß an ihrem Bett ihr Mann mit seiner Geliebten "Gisella Schein, die er später auch mit nach Argentinien schleppen sollte."[6] Mit dieser "Riesenenttäusschung" war Emilie vollends klar, dass sich Oskar nie ändern würde. Ihr fielen die Gerüchte ein, "die in Zwittau über Oskars zwei uneheliche Kinder kursierten." [7]

Jüdische Hilfe für den Retter

Oskar Schindler suchte Unterstützung bei jüdischen Organisationen. Mit der eidesstattlichen Erklärung der Schindler juden versuchte er in Bayern, ein neues Leben zu beginnen. Die Familie Schindler hatte kaum Geld, um mehr als ihr Überleben zu sichern. Als er erfuhr, dass Mietek Pemper Hauptzeuge im Prozess gegen Göth auftrat, schrieb er einen Brief an ihn und bat ihn um Hilfe[8]. Auf Vermittlung von Pemper schrieb Leib Salpeter daher am 5. Oktober 1946 einen Brief an die jüdischen Organisationen in Westdeutschland, alles zur Unterstützung Schindlers zu tun.

Brief des Joint an Schindler
Brief des Joint an Schindler
Mitteilung bezüglich Schindlers Anspruch auf Hauptentschädigung
Mitteilung bezüglich Schindlers Anspruch auf Hauptentschädigung

Der Joint wird zu Schindlers Wohltäter

1947 hatten Schindlers Bemühungen Erfolg, er erhielt eine Stelle bei der JA in München. Fortan halfen jüdische Zeitungen in England und die Flüchtlingsorganisation zusammen, um Oskar Schindler ein würdiges Leben zu ermöglichen. Ab 1947/48 begann die langjährige Beziehung Schindlers zum Joint in Deutschland und Argentinien. Von nun an erhielt die Familie Schindler vom Joint Lebensmittelzuteilungen und eine Stelle im Joint Lagerhaus. Für einige Monate erhielt er eine monatliche Unterstützung von 500 Dollar.

Entschädigungssprüche gegenüber Joint?

Finanzbericht Seite 1 und 2; Quelle: Bundesarchiv Koblenz
Finanzbericht Seite 1 und 2; Quelle: Bundesarchiv Koblenz

Oskar Schindler entschloss sich, die volle Entschädigung für die Ausgaben zur Rettung seiner Juden in [1] und Brünnlitz zu fordern und stützte sich dabei auf seinen Finanzbericht vom Sommer 1945.[9] Er bezifferte seine Verluste auf 2 640 000 RM. Kasztner und Springmann in Budapest hatten ihn dazu ermutigt. Während des Krieges fungierte Oskar Schindler auch als Kurier, der Hilfsgelder der JA nach Plaszow gebracht hatte.

Soll Schindler entschädigt werden?

Der Direktor von Joint Europa Dr. Joseph J. Schwartz in Paris wusste nicht genau, wie er auf die Forderungen von Oskar Schindler reagieren sollte. Ein ihm von Dr. Kurt Wehle vorgelegtes Gutachten ging davon aus, dass Schindler seine Betriebe durch Arisierung jüdischer Fabriken erworben habe, er wenig oder gar nichts für die Arbeit bezahlt habe und er darüber hinaus vom Joint während des Krieges Geld erhalten habe.[10] Da also Schindlers Ausgaben nicht aus seinen privaten Mitteln stammten, solle ihm auch keine Entschädigung zustehen. Überdies seien Schindlers Beziehungen zu den Nazis unbedingt zu prüfen. Es erhebe sich die Frage, ob Oskar Schindler denn vor dem Krieg über irgendwelche Mittel verfügte oder ob er das Vermögen, für dessen Verlust er jetzt entschädigt werden wolle, während des Krieges erworben hatte.[11]

Schindler-Biograph Crowe
Schindler-Biograph Crowe
Lastenausgleich von Schindlers Fabrik in Brünnlitz, u.a. Fabrik, Privatbesitz, Maschinen usw.
Lastenausgleich von Schindlers Fabrik in Brünnlitz, u.a. Fabrik, Privatbesitz, Maschinen usw.

Zurückweisung von Schindlers Antrag an den Joint

Zusammenfassend kam der Bericht zum Schluss, dass es nicht die Aufgabe des Joint sei, „Aufwendungen von Individuen oder Organisationen“ zurückzuerstatten, gleichgültig unter welchen Umständen oder aus welchen Gründen sie tätig geworden seien.[12] Der Joint stehe nicht in der moralischen Verantwortung, „einen Deutschen dafür zu entschädigen, dass er sich Juden gegenüber anständig benommen habe“.[13] Allenfalls könne Schindler eine Wiedergutmachung zugebilligt werden, und hierfür seien die Geretteten zuständig, nicht aber der Joint. Jegliche rechtliche Verpflichtung Oskar Schindler gegenüber sei daher abzulehnen. Der Joint war gewiss die bedeutendste jüdische Hilfsorganisation im Nachkriegseuropa, die zwischen 1946 und 1950 insgesamt 280 Millionen Dollar aufgebracht hatte, um jüdischen Überlebenden in Europa zu einer neuen Existenz zu verhelfen oder ihnen die Auswanderung nach Palästina bzw. Israel zu ermöglichen.[14]

David Crowes Beurteilung

Oskar Schindler mit Kindern, 1963 in Jerusalem
Oskar Schindler mit Kindern, 1963 in Jerusalem

Er kam 1939 als Glücksritter nach Polen und profitierte dort wie im Protektorat Böhmen und Mähren von der Arisierungspolitik der Nazis. Und er setzte jüdische Zwangsarbeiter auch deshalb ein, weil er damit die Kosten niedrig halten und höhere Profite erwirtschaften konnte. Als er Brünnlitz verließ, hat er möglicherweise noch einiges von diesem Gewinn besessen; Werte, die ihm auf der Flucht innerhalb von wenigen Tagen verloren gingen. Kurz: keine ernst zu nehmende jüdische Organisation, die jüdischen Überlebenden nach dem Holocaust zu einer neuen jüdischen Existenz verhelfen wollte, konnte Oskar Schindlers Parteimitgliedschaft und die Herkunft seines Vermögens auch aus jüdischer Zwangsarbeit ignorieren; ebenso wenig die Vorteile, die sich ihm mit der deutschen Arisierungspolitik und dem Erwerb jüdischen Eigentums boten.“[15]

David Crowes Biographie über Oskar Schindler ist mehr als umstritten. Historiker monieren seine unseriöse Vorgehensweise und seine zum Teil an den Haaren herbeigezogenen Urteile über Oskar Schindler. Crowe versuchte mit aller Gewalt, Schindler zu „entmythifizieren“ und war krampfhaft bemüht, Schindlers Schwächen anstatt seine Wandlung zum Retter zu betonen. So entsteht ein Bild von Oskar Schindler, das in keiner Weise der historischen Wahrheit entspricht. Crowe scheint vom Aktenmaterial schlichtweg überfordert. Seine Biographie verliert sich in tausenden Details, er sieht den Wald vor Bäumen nicht mehr und gelangt häufig zu Urteilen, die an den Haaren herbeigezogen sind.[16]

Beihilfe durch den Joint

Brief des Joints an  Oskar Schindler von 1949; Quelle: Bundesarchiv Koblenz
Brief des Joints an Oskar Schindler von 1949; Quelle: Bundesarchiv Koblenz

Immerhin entschloss sich der Joint, Oskar Schindler eine Beihilfe von 15 000 Dollar zu gewähren. Schindler war enttäuscht über die Summe. Aber sobald er erfuhr, dass er mit dieser Beihilfe rechnen konnte, gab er seinen Plan bekannt, nach Argentinien auszuwandern.

Auswanderung

Schindlers Einwanderungserlaubnis nach Argentinien
Schindlers Einwanderungserlaubnis nach Argentinien

Dem Joint war klar, dass Oskar Schindler in Deutschland kein neues Leben beginnen könne, gerade weil er so vielen Juden geholfen hatte. Drei Frauen gingen mit Schindler nach Argentinien: Emilie, Roma Horowitz und Gisa Schein. Im August 1948 verließen die Schindler s und sechs weitere Mitglieder ihrer Gruppe Genua und kamen nach 28 höllischen Tagen, während derer fast alle seekrank wurden, in Buenos Aires an.

Einzelnachweise

  1. Mietek Pemper, Der Rettende Weg, Hamburg 2005; S. 231f
  2. So David Crowe, S. 517-519
  3. Schindler Oskar Schindler Oskar SchindlerOskar SchindlerOskar Schindler Oskar Schindler erzählt ihre Geschichte, aufgeschrieben von Erika Rosenberg; Köln 1997.
  4. so Crowe unter Bezug auf Herbert Steinhouse,a.a.O., S. 533
  5. so D. Crowe, S. 534
  6. so D. Crowe, S. 534; Emilie Schindler, In Schindlers Schatten. E.Schindler erzählt ihre Geschichte, aufgeschrieben nach Erika Rosenberg, Köln 1996, S.120 ff
  7. Emilie Schindler, In Schindlers Schatten. E.Schindler erzählt ihre Geschichte, aufgeschrieben nach Erika Rosenberg, Köln 1996,S.120 ff; David Crowe, a.a.O., S. 534
  8. Mietek Pemper, Der Rettende Weg; Hamburg 2005, S. 235
  9. Der Finanzbericht findet sich im Schindler Nachlass im BA Koblenz. In unseren digitalisierten Dokumenten ist er unter einsehbar.
  10. Das Geld das Oskar Schindler in Budapest erhielt, leitete er stets korrekt an die Juden in Krakau weiter, so D.Crowe, S. 538
  11. Dr. Kurt Wehle an Dr. Joseph J. Schwartz, Brief vom 22. 12.1948, Paris, AJJDC Archives,1, zitiert nach D. Crowe, S. 539
  12. ebenda
  13. ebenda.
  14. D. Crowe, S. 541
  15. So das Urteil von David Crowe, S. 542
  16. siehe die Rezensionen von Crowe’s Buch in den führenden deutschen Zeitungen: http://www.perlentaucher.de/buch/21938.html ; http://www.rezensionen.ch/buchbesprechungen/oskar_schindler/3821807598.html ; http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=9145&ausgabe=200603 http://www.geschichtsforum.de/f196/oskar-schindler-die-biographie-9568/ http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=10892 http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,329605,00.html
Persönliche Werkzeuge